Salzburger Festspiele: Die Royals im Hochzeitstaumel

Salzburger Festspiele Royals Hochzeitstaumel
Salzburger Festspiele Royals Hochzeitstaumel(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Henry Mason inszenierte im Residenzhof seine schicke Fassung von Shakespeares "Sommernachtstraum": lebendig. Von echter Romantik und Erotik erzählt die Musik jedoch mehr als das Wort.

Theseus, Herzog von Athen, heiratet. Seine Erwählte, die Königin der Amazonen, hat er mit dem Schwert erobert – und sie vergewaltigt. Hochschwanger stapft Hippolyta über die Szene, versucht mit Yoga und Fechten in Form zu bleiben. Die düsteren Voraussetzungen ihrer Eheschließung scheinen sie wenig zu kümmern. Keinesfalls aber will sie eines der herzigen Hochzeitskleider anziehen. Der Herzog ist irritiert. Er hat mit den Vorbereitungen für den großen Tag viel zu tun. Außerdem nervt ihn sein Hofmarschall Egeus mit familiären Problemen: Tochter Hermia will nicht den für sie vorgesehenen Demetrius heiraten, sondern hat sich in einen anderen Edelmann, Lysander, verschaut. Auf derartige Rebellion steht die Todesstrafe – oder ab ins Kloster. Theseus rät Hermia, sich ihre Entscheidung noch einmal zu überlegen...

Henry Mason, Sohn eines Briten und einer Neuseeländerin, hat Shakespeares „Sommernachtstraum“ inszeniert, seit Samstagabend im Residenzhof bei den Salzburger Festspielen zu sehen. Das Stück wird ergänzt, in Wahrheit aber dominiert von Mendelssohns Musik: Ivor Bolton dirigiert das Mozarteum Orchester Salzburg. Mendelssohn steuert bei, was der Aufführung fehlt: abgründige Romantik, irrlichternde Erotik, Geheimnis, das Unstete der Leidenschaft, ihre Bedrohlichkeit, ihre Abgründe.

Sexuelle Passion oder Karriere

Dabei ist Mason viel eingefallen. Er hat eine flotte Übersetzung, Neufassung gemacht, ohne die Geschichte der vier Liebespaare zu verfremden. Allerdings, im Society-Milieu scheint sich Mason wohler und sicherer zu fühlen als im Wald, wo das Irrationale lauert. Die Elfenschar mit überdimensioniertem Werkzeug – Bohrer, Schraubenzieher – wirkt profan. Recht verbraucht ist auch schon die Kreuz-und-quer-Rammelei: Puck und die alte Elfe in Titanias Dienst treiben es a tergo. Der Gehilfe des Feenkönigs Oberon ist diesem offenbar auch sexuell zu Willen. Shakespeares Naturmystik pfropfte Mason heutige Umweltbedrohungen auf.

Im stummen Spiel, in den Pantomimen offenbart diese Aufführung ihren größten Witz und ihre Kraft. In den Dialogen stellt sich die Dämonie und Dramatik der Leidenschaft, um die es hier geht, nur gelegentlich ein. Die schauspielerischen Leistungen sind unterschiedlich: Brillant ist Paul Herwig als Zettel, unverständlicherweise ein Bodenleger statt ein Weber wie im Original. Das Weben hat doch viel mehr mit diesem grandiosen Schwadroneur zu tun! Trotzdem zählen die Handwerksszenen, vor allem jene am Schluss, wenn die Dilettanten vor dem Herzog auftreten, zu den köstlichsten Sequenzen der Aufführung. Schon Shakespeare amüsierte sich hier bissig über seine klobige Konkurrenz aus dem Zunftwesen.

Karoline Eichhorn zeichnet nuancenreich und wortgewaltig die Elfenkönigin Titania und wirkt vital und selbstbewusst als Hippolyta. Markus Meyer zieht viel Aufmerksamkeit auf sich als Puck mit Widderhörnern und Maske. Er ist Faun, Pan und Satyr in einem. Für die Liebespaare hat sich Mason eine These ausgedacht: Lysander ist ein Softie, Hermia eine Tochter aus bestem Hause, die Angst vor Sex hat, Demetrius möchte sie aus Karrieregründen erobern, obwohl er sich sexuell stärker von der unberechenbaren Helena angezogen fühlt.

Als weitere Aktualisierung wird zu Beginn ein „First Child“ vom Hofe für die Feenkönigin Titania geraubt. Im Original ist dies ein indischer Lustknabe, der Oberons Eifersucht wohl in doppelter Hinsicht weckt: Er will Titania und den Knaben. Hier geht's bloß um das Baby als Sprengsatz in Beziehungen. Ja, lauter Ideen, über die man streiten kann. Hinreißend ist Eva Maria Sommersberg als Helena. Weniger glücklich ist die Besetzung des übellaunigen Pedanten Demetrius mit dem sonst so lebendigen Claudius von Stolzmann. Insgesamt ist das Ensemble aber recht überzeugend, die Personenführung wirkt durchdacht.

Viel geliebt und oft gespielt wird der „Sommernachtstraum“ seit Max Reinhardts Zeiten. Er gelingt aber selten. Im Burgtheater stolperten die Akteure durch einen gewaltigen Korkenhaufen (merke: Liebe ist kompliziert – na, so was). Michael Hoffmans Verfilmung 1999 badete in Prunk und Kitsch. Es gibt eben keinen Mittelweg auf dem Pfade der Leidenschaft. Diese Salzburger Aufführung kann sich jedenfalls sehen lassen. Das Publikum wirkte nach zweieinhalb Stunden ohne Pause bei brütender Hitze begeistert, was gewiss auch an der musikalischen und bildnerischen Opulenz lag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2013)

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