"Cosi fan tutte": Misslungenes Opernfinale in Salzburg

SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE
SALZBURGER FESTSPIELE 2013: FOTOPROBE "COSI FAN TUTTE"(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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"Così fan tutte" erweist sich als musikalisch und szenisch weitgehend misslungen. Sven-Erich Bechtolf und Christoph Eschenbach mussten für die langweilige Produktion deutliche Buhs einstecken.

Glücklich der Mensch, der jede Sache von der guten Seite nimmt“, singen die Protagonisten am Ende von Mozarts „Così fan tutte“. Diese bitterböse Beweisführung der menschlichen Untreue stand als letzte Opernpremiere auf dem Programm der heurigen Salzburger Festspiele. Allerdings, man müsste schon schwer gedopt sein, wollte man diese Mozart-Sache, die da im Haus für Mozart aus der Taufe gehoben wurde, von der guten Seite nehmen.
Der das Partnertauschspiel anzettelnde Philosoph Don Alfonso nimmt irrtümlich einen Schluck aus einem Sektglas, in das Guglielmo zuvor Gift gegossen hat. Also haucht er zu den letzten Takten des Finalsextetts sein Leben aus. Ein Bild, das trefflicher nicht sein könnte für diesen Abend, der sich als tödlich langweiliger und grundsätzlich misslungener Wurf entpuppte. Und sich vor allem zwei Fehlgriffen verdankt: Sven-Eric Bechtolf als Regisseur und Christoph Eschenbach als Dirigent, die auch deutliche Buhs beim durchaus enden wollenden Schlussapplaus einstecken mussten.

Salzburg als Nachspielfiliale von Zürich

Bechtolf, Salzburger Schauspielleiter, hat in Alexander Pereiras Zürcher Zeit einen Da-Ponte-Zyklus inszeniert. Nachdem die Salzburger Festspiele, seit sie Pereira übernommen hat, vor allem zur Zürcher Nachspielfiliale geworden sind, war es wohl konsequent, auch hier einen Da-Ponte-Zyklus mit Bechtolf anzusetzen. So wie in Zürich hätte Franz Welser-Möst dirigieren sollen. Als dieser absagte, wurde rasch Christoph Eschenbach aus dem Hut gezaubert.

Bechtolf erinnerte sich also an seine Zürcher Version und inszenierte erneut „Così fan tutte“. Diesmal auf der Bühne des Hauses für Mozart, und so wie damals in einem Bühnenbild von Rolf Glittenberg. Dem ist tatsächlich nicht mehr eingefallen als ein ödes Glashaus-Halbrund mit Palmen und anderem Blumenmarktgrünzeug in Pflanztrögen. In der Mitte ist ein kleiner Pool in den Boden eingelassen, in dem zur Ouvertüre zwei Bodydoubles barbusig planschen. Dieser Raum wirkt, als hätte ein überambitionierter Baumarktdekorateur ein Karl-Ernst-Herrmann-Bühnenbild in der Gartenabteilung nachstellen wollen. Die in zart-fadem Barock-Chic genähten Kostüme von Marianne Glittenberg fallen nicht weiter auf. Bechtolf lässt seine Sänger durchgehend im szenischen Leerlauf agieren. Nicht ein Gedanke wird bemüht, um der Oper ein Mindestmaß an Tiefgang zu entreißen. Man erlebt mattes, ödes Mozart-Schablonen-Geplänkel wie zu Opas Zeiten.

Ohne Feinzeichnung, Witz und Charme

Bechtolf spielt dabei besonders gern mit der Symmetrie der drei Paare, arrangiert meist in der Mitte der Bühne und an der Rampe adrette Gruppenbilder. Versuche, der Sache komische Seiten abzugewinnen, gerinnen zum herb-peinlichen Klamauk. Dann etwa, wenn die Verlobten Ferrando und Guglielmo als Fremdlinge verkleidet ihre Vorzüge preisen und sich immer wieder den Degen in den Schritt strecken. Genauso erleiden die poetisch gemeinten Einfälle Schiffbruch. Die in den Krieg ziehenden Verlobten überreichen ihren Liebsten, Fiordiligi und Dorabella, als Abschiedspräsent jeweils ein Modellschiffchen, das diese zu ihrem herrlichen Terzett mit Alfonso, „Soave sia il vento“, im Whirlpool in See stechen lassen. Wenn der verkleidete Guglielmo die frisch eroberte Dorabella bezirzt und beide im Duett ihre schlagenden Herzen besingen, muss er mit seinen Armen ihre Flanken umklammern und auf ihren Bauch drücken, als ob es darum ginge, ihr wieder Luft zu verschaffen. Hilft auch nichts, denn Marie-Claude Chappuis liefert mit ihrem hart und glatt timbrierten Mezzo eine pauschale und intonationssaure Dorabella. Als Fiordiligi ist Marlin Hartelius aus etwas feinerem Stimmholz geschnitzt, bewältigt ihre Arien sehr kultiviert, auch wenn sie die ersten Takte ihres Rondos um einen Hauch zu tief intoniert und ihre Höhe meist recht eng klingt.

Somit hat die putzige Martina Janková leichtes Spiel, ihren zuckersüß zarten Sopran in Stellung zu bringen. Die Herrenriege klingt konsolidierter. Auch wenn man dem schönen, aber noch kleinen Tenor des jungen Martin Mitterrutzner keinen großen Gefallen bereitet, ihn jetzt schon als Ferrando in die Arena zu werfen. Luca Pisaroni als Guglielmo bewährt sich ausgezeichnet als Salzburger Mozart-Routinier. Neben ihm ist es nur noch Gerald Finley als Don Alfonso, der dem Abend Festspielniveau sichert.
Konträr agiert Eschenbach am Pult der Wiener Philharmoniker. Neben ein paar wenigen unerklärlich sehr rasch genommenen Tempi herrscht vor allem Langatmigkeit. Eschenbach schlägt die Aufführung bis auf ein paar kleine Differenzen mit der Bühne artig durch, versagt sich aber jede orchestrale Inspiration, Feinzeichnung, Differenzierung, jeden Witz und Charme. Unter diesen Umständen spielen auch die Philharmoniker erschreckend unspezifisch und klanglich weit unter ihrem Niveau. Vielleicht wäre dieser Zyklus-Auftakt für das Orchester eine passende Gelegenheit, sich wieder einmal die Frage nach dem spezifischen Wiener Klang und der eigenen Mozart-Tradition zu stellen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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