Energiebündel: Simone Young

Simone Young, Intendantin in Hamburg, studiert die erste Wiener Opernpremiere der Saison ein, wird demnächst die erste Frau sein, die je ein Konzert der Wiener Philharmoniker dirigierte, und tritt im Burgtheater in Karajans Fußstapfen.

Natürlich war es aufregend“, erinnert sich Simone Young an ihren ersten Auftritt in der Wiener Staatsoper. Zwar ist schon einmal vor Jahrzehnten eine Dame am Dirigentenpult des Hauses gestanden. Doch in Zeiten, an die man sich erinnern konnte, war dergleichen nie geschehen – und, was noch schwerer wiegt: Als die Australierin den Taktstock zu Puccinis „La Boh¨me“ hob, war noch nicht einmal beschlossen, dass das Wiener Staatsopernorchester – über Umwege also auch die Wiener Philharmoniker – jemals Musikerinnen als Mitglieder akzeptieren würde.

Wie auch immer: Simone Young kam in den Orchestergraben, gab den – notorisch gefürchteten – Auftakt zur „Boh¨me“ und erlaubte sich während der ersten Dreiviertelstunde – bis zur Lichtpause zwischen dem Mansardenbild und dem Caf© Momus – nicht den kleinsten Seitenblick, der nicht unmittelbar mit ihrer dirigentischen Organisationsarbeit zu tun gehabt hätte. „Erst in der kurzen Pause habe ich mich umgeschaut und habe da ein paar halb verstohlene Blicke von altgedienten Philharmonikern bekommen, vorsichtig, aber doch beinah mit einem Lächeln und einem kaum merklichen Kopfnicken. So als wollten die mir sagen: Ist schon in Ordnung.“

Das bedeutet im Orchesterbrauch ungefähr so viel wie einst das Urteil eines Stammgastes in einem Wiener Beisl über das servierte Salonbeuschel: „Kann man lassen“. Also sehr viel. Höheres Lob wird nur in raren Ausnahmefällen gespendet.
Seither war Simone Young zahllose Male Gast am Staatsopern-Pult, hat ein breites Repertoire von Opern dirigiert, bis hin zum „Wozzeck“ von Alban Berg, den sie wie vieles nach alter Sitte ohne Probe bewältigte. Dann meinte sie, es sei Zeit für einen Schnitt, wie sie jüngst bei ihrem Auftritt im „Presse“-Musiksalon im Gläsernen Musikvereinssaal erläuterte. Es gebe Momente im Leben, meint sie, in denen man Zäsuren setzen muss, um auf neuer Ebene ansetzen zu können.

Auf ihre Zeit als Leiterin der Australischen Nationaloper folgte die Ernennung zur General-Managerin und Chefdirigentin der Hamburgischen Staatsoper. Den Posten trat sie an, wie man das von ihr erwartet hatte: Sie ließ sich nicht Zeit bis zur ersten Premiere. Sie dirigierte zum Einstand Reper­toire-Aufführungen und Konzerte des Hamburgischen Staatsorchesters – nicht zuletzt stand Olivier Messiaens anspruchsvolle „Turangalila“-Symphonie auf dem Programm, was zu Verdis „Traviata“ den denkbar idealen Kontrapunkt bildete und gleich die Spannweite der Interessen der neuen Chefin demonstrierte.

In Wahrheit begann die Ära Young in Hamburg allerdings bereits vor einigen Monaten, als der vorgesehene Dirigent für Richard StraussÂ’ „Frau ohne Schatten“ ausfiel und die designierte Leiterin über Nacht die Vorstellung übernahm. Diese Partitur ohne Probe aufs Pult zu legen, das gelingt heutzutage kaum einem Dirigenten. „In all den Jahren habe ich mir dutzende von Opern erdirigiert“, sagt sie selbst in dem Wissen, dass es kaum ein Repertoirestück gibt, das sie nicht aus dem Stand dirigieren könnte. Nicht nur im bekannt probenarmen Wiener Repertoirebetrieb hatte sie Gelegenheit, diese Kunst zu üben.

Philharmoniker laden ein. Dass sie sich jetzt weltweit rar macht, hat viel mit der Hamburger Verpflichtung zu tun: „Ich will viel da sein“, sagt die Intendantin, „auch wenn ich gerade nicht dirigiere“. Sprich: wenn sie sich nicht selbst für Vorstellungen engagiert hat. Simone Young will aber auch das symphonische Repertoire nicht vernachlässigen. In Wien bereitet sie nicht nur die erste Opernpremiere der Saison vor – Puccinis „Le Villi“ und Janaceks „Schicksal“. Die Philharmoniker bitten sie – und das ist wirklich eine Premiere – erstmals aufs Konzertpodium. Das traditionelle Proms-Konzert im Konzerthaus steht unter ihrer Leitung.

Ein amüsantes Detail zuletzt: Simone Young tritt auch in die Fußstapfen Herbert von Karajans: Bei der Eröffnung des renovierten Burgtheaters dirigierte der Maestro 1955 Beethovens Ouvertüre zur „Weihe des Hauses“. Das heikle Stück hat man bei der Erinnerungs-Gala 50 Jahre danach Simone Young anvertraut Â

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