Opernbasteln im barocken Babylon

Opernbasteln barocken Babylon
Opernbasteln barocken Babylon(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Erstaufführung von „Semiramide“ in der Kammeroper, ist ein „Pasticcio“ mit Musik von Leonardo da Vinci und Händel.

Jung und Alt haben derzeit in der vom Theater an der Wien bespielten Kammeroper zusammengefunden: junge Sänger und Alte Musik. Außerdem der dirigierende Musikwissenschaftler Alan Curtis und ein Manuskript aus Hamburg. Dieses nahm er als Ausgangspunkt für eine Pasticcio-Reise in das Barockopernland. Doch wie Curtis im Programm ausführt, ist die Sache mit dem Pasticcio keine so eindeutige.

Auch im Falle des soeben unter dem Titel „Semiramide“ präsentierten nicht. Das Hamburger Manuskript stammt jedenfalls von Georg Friedrich Händel. Denn der beschloss, für die Opernsaison 1933/34 eine Oper auf Pietro Metastasios Libretto „Semiramide riconosciuta“ herauszubringen. Er griff dabei auf die Vertonung von Leonardo da Vinci zurück, hatte aber, so wird vermutet, nur eine Ariensammlung des Werks zur Hand. Also kürzte er Metastasios Rezitative und komponierte sie neu, setzte eine andere Vinci-Ouvertüre an den Anfang und hatte schließlich auch noch auf die ihm zur Verfügung stehenden Sänger Rücksicht zu nehmen. Darunter war der Kastrat Carestini, der da Vincis Arien nicht singen wollte. So fügte sich das alles zu einem bunten Opernpuzzle.

Alan Curtis fasste nun dieses Konglomerat und mit viel eigener Fantasie neu. Händels Rezitative blieben, manche der entfernten Da-Vinci-Stücke wurden zurückgetauscht, aber auch andere Arien, von Nicola Porpora, Händel, Leonardo Leo und Francesco Feo, eingelegt. Zuletzt wurde diese „Semiramide“, damit sich die Pause gut ausgeht, auf zwei statt drei Akte gebracht.

Liebesleiden, Intrigen, Happy End

Herausgekommen ist ein wohlfeiler, herzig bunter Barockopernabend mit manchen reizvollen Arien, ein Fest für die Freunde des Händel'schen Rezitativs. Noch bunter ist nur noch die Handlung: In deren Zentrum steht natürlich Semiramide, die einst von ihrem durch Intrige eifersüchtig gemachten Liebhaber niedergestochen und tot geglaubt wurde. Aber sie überlebte und heiratete den König von Assyrien. Nach dessen Tod herrscht sie über das Reich, als ihr eigener Sohn verkleidet, denn den hat sie „weiblich und schwach erzogen, jetzt liebt er es, gekleidet als Frau in meinen Zimmern zu leben“.

Soweit die Ausgangslage für drei Prinzen, darunter der einstige Geliebte von Semiramide, die nun in Babylon um eine Prinzessin werben. Der Ex wird prompt erwählt, erkennt aber seine Verflossene Semiramide wieder. Das sorgt für Gewissensqualen, Liebesleiden, Intrigen sowie ein Happy End.

Immerhin, dem Regisseur Francesco Micheli gelingt es, diese Verwirrungen in eine Spielhandlung zu bringen und in smarten eigenen Dekors die Puppenbühne der Kammeroper weitgehend überzeugend bespielen zu lassen. Er versetzt das Ganze in einen Nachtclub namens Babilonia. Das Rittern um die Prinzessin wird zum Wetttanzen, und auch der Königssohn (Alessio Calciolari) geistert als eine Art stummer und amüsanter Spielmacher(in) durch den Abend.

Alan Curtis verwaltet seine „Semiramide“-Partitur am Pult des sich sehr wacker schlagenden Bach Consort Wien mit der ihm eigenen dezenten Verve. Im Jungen Ensemble des Theaters an der Wien überzeugen– wie schon zuletzt bei Händels „Orlando“ – Mezzosopranistin Gaia Petrone und Countertenor Rupert Enticknap stilistisch und stimmlich weitaus am meisten. Çigdem Soyarslan versucht als Semiramide mit viel Kraft und Intensität wettzumachen, was ihr an Finesse für eine solche Partie (noch?) fehlt. Auch Tenor Andrew Owens und die Sopranistin Gan-ya Ben-gur Akselrod beglücken nicht restlos, und der allzu arg polternde Bass Igor Bakan sollte sein Glück in anderen Gefilden suchen als im barocken Babylon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)

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