Zweite Geburt für Schmidts "Notre Dame"

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Das Zwischenspiel aus der spätromantischen Oper wurde zum Schlager. Nun ist es ein Konzertstück.

Franz Schmidt ist Wiener Musikfreunden vor allem dank seines Oratoriums „Das Buch mit sieben Siegeln“ ein Begriff. Die grandiose Vertonung von Worten aus der Apokalypse ist allerdings nicht das einzige Werk des österreichischen Spätromantikers, das im goldenen Saal des Wiener Musikvereins seine Uraufführung erlebt hat. Doch ist das „Buch“ zu einer Art Paradestück des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde geworden und wird daher bis heute regelmäßig ins Programm genommen.

Aus der Taufe gehoben wurden im großen Musikvereinssaal unter anderem aber auch alle vier Symphonien und die „Variationen über ein Husarenlied“, Werke, die über viele Jahre im Wiener Repertoire erhalten blieben, doch in den vergangenen Jahrzehnten in einen Dornröschenschlaf versunken sind.

Späte Geburt, bekannte Klänge

Fabio Luisi gehört zu jenen Dirigenten, die sich in unseren Tagen international auch für eine Renaissance der Musik Schmidts engagieren, er propagierte zuletzt auch etwa die groß angelegte Zweite Symphonie. Luisi steht heute, Freitag, am Pult, wenn die Wiener Symphoniker im Verein mit der Pianistin Jasminka Stancul ein Werk für Klavier und Orchester zur Uraufführung bringen. Von diesem Stück existierte bis dato lediglich ein Klavierauszug, der in der Musiksammlung der Nationalbibliothek aufbewahrt wird. Nun fand sich in einer Sammlung in Fernost das Autograf der Orchesterpartitur dieser „Concertphantasie“.

Sie stellt im Schaffen des Komponisten insofern ein Unikum dar, als es sich um das einzige Werk handelt, das der exzellente Pianist Schmidt (der eine Zeit lang auch Solocellist der Wiener Philharmoniker war!) für Klavier zu zwei Händen verfasst hat. Alle anderen seiner Klavierkompositionen – darunter zwei Konzertwerke und Kammermusik – entstanden für Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte, weshalb er bei bedeutenden Meistern seiner Zeit, von Richard Strauss über Erich W. Korngold bis Maurice Ravel und Sergej Prokofieff Stücke in Auftrag gab. Wittgensteins bevorzugter Komponist war jedoch offenkundig Franz Schmidt, dessen Werke er am häufigsten aufführte.

Die „Concerphantasie“ ist nun jedoch ein klassisches Klavierkonzert für zwei Hände – und paraphrasiert Ausschnitte aus der Oper „Notre Dame“, dessen schwelgerisches Zwischenspiel ja zu Wunschkonzert-Ehren gekommen ist. Die Musik dieses populären Intermezzos steht auch im Zentrum der „Phantasie“, umrahmt von tänzerischen Ecksätzen, die in der Oper als Karnevalsmusik erklingen. Musikfreunde, die sich an die Aufführungen von „Notre Dame“ in der Volksoper erinnern, werden also vieles in dem „neuen“ Werk wiedererkennen. Ob die „Concertphantasie“ nach Vollendung der „Notre Dame“-Partitur entstand, oder ob die Musik des Konzertstücks in die Oper übernommen wurde, muss die Musikforschung übrigens noch klären. (sin)

Musikverein: 8., 9. und 10. November

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2013)

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