Kopatchinskaja und Say: Zuhause in den Extremen

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Die Geigerin und der Pianist konfrontierten im Wiener Konzerthaus Beethoven mit Eigenkompositionen von Fazil Say.

Die Geige hat es überlebt, wenn auch vermutlich nur knapp. Man kann es schon mit der Angst zu tun bekommen bei dem Furor, mit dem Patricia Kopatchinskaja über ihr Instrument förmlich herfällt – und dann mit diesem und dem ihr ebenbürtig genialischen Fazil Say am Klavier gemeinsam über Beethoven. Nein, geschenkt wird der Geige bei Kopatchinskajas einen schmeichelnd-saturierten Wohlklang oft beiseite schleudernden Attacken und den markig aus den Saiten gerissenen Pizzicati nichts.

Dafür wird dem Publikum etwas geschenkt: eine zwar höchst eigenwillige Beethoven-Interpretation, die in ihrer Geschlossenheit aber ein rundum überzeugendes künstlerisches Statement darstellt. Die Geigerin und der Pianist sind ein seelenverwandtes Gespann: Unkonventionell sind ihre Interpretationen immer, allerdings nicht aus Selbstzweck, sondern offenkundig aus dem unbedingten Bedürfnis, das jeweilige Werk genau so darzustellen und nicht anders.

Vom Beginn der eröffnenden Kreutzersonate an bewegen sie sich in klanglichen Extremregionen, von einem mit „ruppig“ nur unzureichend beschreibbaren Ponticello der Geige hin zum zerbrechlichsten Pianissimo reicht das Spektrum, oft kippt das Duo ansatzlos von einem Pol in den anderen. Das passt auch ganz ausgezeichnet zu den Kompositionen von Fazil Say, die Beethoven gegenübergestellt wurden. So folgte auf die Kreutzersonate Says farbenreiche Sonate Opus 7, die in sich Orientalisches, Impressionistisches und Jazziges zur dialektischen Synthese vereint.

Peperoncino mit Schokolade

Beim Adagio molto espressivo der nach der Pause gegebenen „Frühlingssonate“ Beethovens (bei Say und Kopatchinskaja fühlte man sich eher wie im Hochsommer) zeigte sich dann allerdings deutlich, wo die Schwachstelle des Duos liegt: Die zwei Musiker stehen derart unter Strom, dass sie kaum mehr zur Ruhe finden. Weitgespannte Bögen, ein längeres, sich über einen Satz hinziehendes Durchatmen, das sucht man hier vergebens. Auch das Rondothema des vierten Satzes bekommt keine Chance, in der ihm eingeschriebenen bezaubernden Leichtigkeit und Süße daherzukommen. Wenn Say und Kopatchinskaja spielen, ist das nicht wie Schokolade mit ein bisschen Peperoncino, sondern wie Peperoncino mit ein bisschen Schokolade.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)

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