Musikverein: Die Symphonie für Abenteurer

Der Musikverein Wien
Der Musikverein Wien(c) ORF (Ali Schafler)
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Die Wiener Symphoniker nahmen sich erneut erfolgreich der nachgelassenen Dritten Symphonie (1951) von Egon Wellesz an.

Die geheiligte Neunzahl hat Egon Wellesz als Symphoniker erreicht. Spät in seiner Karriere hat der aus Wien gebürtige, bis 1974 im Exil in Oxford wirkende Komponist begonnen, die große österreichische Tradition fortzuführen. Als Schüler Arnold Schönbergs begann er vergleichsweise in klassizistischen Bahnen, um sich erst spät, als es schon kaum mehr modisch war, der sogenannten „Atonalität“ zuzuwenden.

Das Schicksal wollte es, dass Wellesz den gediegensten, erfolgsträchtigsten seiner symphonischen Versuche nie zu hören bekam. Die Uraufführung der Dritten („in A“) fand Jahrzehnte nach Wellesz Tod in Wien statt: Die Wiener Symphoniker musizierten damals unter Marcello Viotti. Und sie nehmen sich des Werks weiterhin an, das ist vorbildlich. Am Sonntagabend erklang die Dritte als Hauptwerk nach der Pause im Goldenen Saal – und wer mit Gedanken spekuliert hatte, nach Weber und Schubert vor der unbekannten Herausforderung Reißaus zu nehmen, sich dann aber doch darauf einließ, wurde belohnt.

Welch exzellenter Handwerker Egon Wellesz war, scheint bereits im Kopfsatz der Symphonie evident: Zyklopische Unisonogänge erinnern im Tonfall an Anton Bruckner; das Raffinement, mit dem der Komponist zwischen frei schwebenden Harmonien und tonal eindeutigen Kadenzen jongliert, hat kaum seinesgleichen.

Es erreicht einen virtuosen Höhepunkt im spritzig rasanten Scherzo, nach dem die Komposition in einem grüblerisch anhebenden Finale langsam einem affirmativen Choral-Schluss zustrebt. Markus Stenz, gegenüber den vertrauteren Klanggefilden der „Freischütz“-Ouverture und Detlev Glanerts Orchestrierung von Schuberts „Einsamkeit“ (D620) noch merklich verkrampft, fand bei Wellesz zu durchaus entspannter Gebärdensprache und holte an Expression, so viel er in der Partitur nur finden konnte.

Es war viel.

Wovon redet denn Franz Schubert?

Die nächste Aufführung der Dritten Wellesz darf ruhig schon geplant werden. Publikum, das gern wiederkommt, ist rekrutiert. Schade nur, dass der Schubert-Genuss vor der Pause beeinträchtigt war, weil im Programmheft kein Text abgedruckt war: Die Melismen Carolyn Sampsons, wiewohl glockenhell, bleiben doch mehrheitlich unverständlich; dabei gehört die Vertonung eines Gedichts von Johann Mayrhofer zu den anrührendsten Eingebungen Schuberts – solange man weiß, wovon die „Rede“ ist. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2014)

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