Sokhiev: Unbeirrbar nach oben

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Der hochbegabte russische Dirigent gastierte mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin - unterschiedlich überzeugend.

Wenn sich demnächst wieder das Dirigentenkarussell dreht, wird man gewiss auch dem Namen Tugan Sokhiev begegnen. Zwar ist nicht zu erwarten, dass er bereits als Nachfolger von Mariss Jansons beim Concertgebouw Orchester oder von Sir Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern ernsthaft gehandelt werden wird. Als Musikdirektor eines prominenten Orchesters der „zweiten Reihe“ könnte man sich ihn bereits jetzt gut vorstellen.

Seit 2008 ist der hochbegabte 37-Jährige Chefdirigent des Orchestre National du Capitole de Toulouse, seit vergangener Saison in dieser Position beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Seit Jahresbeginn ist er zusätzlich Musikdirektor des Bolschoi-Theaters Moskau, damit auch Chefdirigent dessen Orchesters. Rege Gastdirigententätigkeit führte ihn in den letzten Jahren auch an das Pult der Wiener Philharmoniker und der Staatsoper, wo er mit „Boris Godunow“ und „Pique Dame“ nachhaltigen Eindruck hinterließ.

Beethoven und Prokofieff im Kontrast

Jetzt führte er mit dem Berliner Orchester im Musikverein zwei „Fünfte“ im „Große Symphonie“-Zyklus auf: Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert Opus 73 und Prokofieffs B-Dur-Symphonie Opus 100. Ein Kontrastprogramm, und so wirkte es an diesem Abend auch, nicht zuletzt wegen des Solisten Lars Vogt. So schroff, kantig, lautstark hat man den Solopart dieses letzten Beethoven-Klavierkonzerts kaum je gehört. Auch nicht mit so atemloser Phrasierung im langsamen Satz. Als ob für Poesie in diesem sonst so innigen Adagio, zu dem Beethoven durch Wallfahrtsgesänge angeregt worden sein soll, kein Platz wäre. Auch das Orchester zeigte sich nicht von seiner besten klanglichen Seite, ließ zuweilen entsprechende Präzision vermissen.

Anders Prokofieffs „Fünfte“: ein hörbares Anliegen für den weiträumig disponierenden, klar seine Vorstellungen zeigenden Dirigenten wie das besonders engagierte Orchester. Selbst wenn man sich insgesamt eleganter artikulierende Streicher, flexiblere Holzbläser, ein subtiler agierendes Blech gewünscht hätte: Die „Berliner“ glichen das durch beherztes Musizieren fast aus. Vor allem in den mit Verve und Rasanz bewältigten raschen Sätzen. Dem einleitenden Andante und Teilen des Adagios fehlte noch Dichte und Tiefe.

Ob Sokhiev den tüchtigen Musikern die Latte nicht doch zu hoch legt? Er scheint vom Ehrgeiz besessen, das Orchester in dessen große Vergangenheit zurückzuführen. Sie hat mit Chefdirigenten wie Ferenc Fricsay, Lorin Maazel und Riccardo Chailly begonnen, die hier ihre große Karriere starteten. (dob)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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