Der frühe Steinbruch des Hector Berlioz

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Rares Juwel mit den Wiener Philharmonikern und Muti.

Beim Neapolitaner Riccardo Muti war Mendelssohns Italienische Symphonie in besten Händen: Die Philharmoniker musizierten mit ihm am Samstag im Musikverein das Programm, das Sonntagvormittag noch einmal als erstes „Festwochen“-Konzert gegeben wurde. Mit Temperament ging es durch den ersten Satz, dem Muti, der wie gewohnt alles fein ausbalancierte, und das Orchester auch einen Schuss dunkler Grundierung ins lichte „italienische“ Gepräge gaben. Mit einem etwas genervt übereilten Einsatz zum „Con moto moderate“ samt einem verwunderten Blick ins Auditorium, das die Pause zwischen zweitem und drittem Satz mit epidemischen Hustenanfällen gefüllt hatte, irritierte Muti für einen kurzen Moment die Geigen. Während das Saltarello wieder mitreißend und mit feinsten Holzbläsereinsätzen verbrämt aus den Musikern sprudeln konnte.

Blendend: Der Singverein

Jubel also schon vor dem Hauptwerk, der „Messe solennelle“ von Berlioz. „Ich begann also mit Feuereifer an meiner Messe zu arbeiten, die mit ihren unausgewogenen und gewissermaßen zufälligen Klangfarben nichts weiter war als eine ungeschickte Nachahmung von Lesueurs Stil.“ So erinnerte sich Berlioz in seinen Memoiren an den frühen Wurf von 1824: ein ausladendes, eigenwilliges und theatralisches „geistliches“ Monster des erklärten „Atheisten“ Berlioz. Nach nur zwei Aufführungen vernichtete Berlioz die Partitur der Messe. Das Autograf jedoch hatte er davor verschenkt, und es wurde 1991 in Antwerpen wiederentdeckt.

John Eliot Gardiner hat sich des Werks angenommen, wie Muti, der die Messe 2012 bei den Salzburger Festspielen dirigierte. Damals mit den auch diesmal wieder hervorragend spielenden Philharmonikern und derselben ausgezeichneten Besetzung für die kurzen Soli: Sopran Julia Kleiter, Tenor Saimir Pirgu, Bass Ildar Abdrazakov. Neu dabei war der Wiener Singverein, der, blendend vorbereitet, diese anspruchsvolle Aufgabe bemerkenswert bewältigte. Womit einer spannenden Begegnung der Weg geebnet war. Für ein mit teils skurrilen, teils bombastischen Momenten überraschendes, mit origineller Kraft überwältigendes Werk, auf dessen Einfälle Berlioz später zurückgreifen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2014)

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