„Rossinissimo!“: Andacht und große Hetz mit Rossini

Cecilia Bartoli
Cecilia Bartoli(C) SALZBURGER FESTSPIELE/ APA
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Konzerte vom Arienabend über geistliche Musik bis hin zur großen Operngala erfüllten viele, aber leider nicht alle Rossini-Wünsche.

„Mamma mia!“, stieß Cecilia Bartoli wiederholt hervor, keineswegs in Verzweiflung, auch wenn sie eine Spur außer Atem wirkte. „La danza“ hatte es nämlich auch noch sein müssen, die berühmte Klavierlied-Tarantella, kurzerhand in das Programm eingeschoben: „Mamma mia, si salterà!“, heißt es da, was werden wir springen! – Ein bisschen geprobt, ein bisschen improvisiert, mit der ihr eigenen eruptiven Energie nebst Tamburinbegleitung, am Klavier eine Zürcher Studienleiterin, die eigentlich nur das Konzert hören wollte... Das „Mamma mia!“ hätte als Motto über dieser Rossini-Gala stehen können, als besorgter, überraschter, schließlich erfreuter Ausruf. Mit Stars von gestern, heute und morgen hatten die Pfingstfestspiele geworben, Absagen vor allem der älteren Semester wie Montserrat Caballé und Teresa Berganza, aber auch von Erwin Schrott bis kurz vor Beginn ließen die Planung über Bord gehen.

Doch so übersprudelnd gute Laune, wie sie die verbliebenen Sangesgrößen versprühten, hätte ohnehin keine Dramaturgie der Welt garantieren können: Massimo Cavalletti, Ruggero Raimondi, Vesselina Kasarova... Wie im Lied verheißen, sprang dann auch das Publikum, nämlich vor Begeisterung, aus den Sitzen: nach dem als Zugabe wiederholten ersten „Barbiere“-Finale in Mehrfachbesetzung, zu welcher auch der heftig mitblödelnde Conferencier Alexander Pereira stieß, doch auch für zwei Tenöre, den ältesten und den jüngsten. José Carreras erinnerte mit einer Seria-Rarität an längst vergangene Zeiten, und der verschmitzt-unbekümmerte Javier Camarena pfefferte als Don Ramiro in zwei Durchläufen hohe Cs und Ds gerecht in jedes Auditoriumssegment – so viel Zirkus darf sein. Schließlich feierte man den unüberbotenen Meister der Opernunterhaltungsmusik der 1810/20er-Jahre, dem einst besonders auch Wien zu Füßen lag (eine Ausstellung des Da-Ponte-Instituts dokumentiert in Salzburg bis 27. Juni die Begeisterung).

Viele kostbare Stimmen...

Allerdings servierte dieses Rossini-Ramasuri den Kaviar für das versammelte Opernvolk nicht durchwegs so erstklassig wie etwa Juan Diego Flórez. Hoch komödiantisch und doch mit atemberaubendem Feinsinn, perlenden Koloraturen sowie erlesener Pianokultur lieferte er mit Bartoli beim „Cenerentola“-Duett nach, was dieser Tage in der szenischen Aufführung mit Camarena gefehlt hatte: Poesie und romantische Aura. Aber weil die Gala insgesamt eine sympathische Hetz darstellte, muss man ihr Mankos nicht vorrechnen – zumal sie zugunsten der Kinderseelenhilfe Pro Mente Salzburg stattfand. Carlos Chausson und Alessandro Corbelli ragten als virtuose Bassbuffi hervor, und der geistesgegenwärtige Ádám Fischer brachte am Pult des aufgeweckten Mozarteumorchesters die Solisten auch nach manch gröberen rhythmischen Ausritten immer wieder auf Kurs.

Legt man höchste Maßstäbe an, war allerdings wirklich außergewöhnlicher Gesang bei diesen „Rossinissimo!“-Festspielen seltener zu hören als erhofft. Freilich gibt es auch nicht so viele Stimmen von ähnlich kostbarem Timbre und technischer Bravour wie den Mezzosopran von Joyce DiDonato. Am Pfingstmontag glänzte die Amerikanerin, von David Zobel so einfühlsam wie zweckdienlich begleitet, mit Charme und feinem Humor bei einer Venedig gewidmeten Liedmatinee: Da füllten sinnlich erblühende Phrasen etwa von Fauré und dem impressionistisch inspirierten Michael Head das Mozarteum oder erheiterte Rossinis „Regata veneziana“. Besonderen Zauber verströmten Reynaldo Hahns zwischen Melancholie und Komik oszillierende Schöpfungen; in der Zugabe aus Rossinis „La donna del lago“ prunkte DiDonato mit stupender, fast schlackenloser Geläufigkeit. Das hatte auf seine eigene, freilich wesentlich artifizieller zu nennende Weise am Freitag auch der argentinische Countertenor Franco Fagioli geschafft, einer der jüngsten und schon größten Stars seiner Zunft, der mit seinem großen Stimmumfang und der an weiblichen Vorbildern orientierten, speziellen Färbung längst unverwechselbar geworden ist.

... aber auch ungeschlachter Gesang

Durchaus verwechselbar agierten hingegen die meisten, teilweise eingesprungenen Solisten der beiden geistlichen Rossini-Exerzitien, zu denen am Pfingstsonntag Antonio Pappano mit den wackeren Kräften der römischen Accademia di Santa Secilia gebeten hatte – die hoch gehandelte, aber etwas forcierende Sopranistin Maria Agresta etwa oder der ungeschlacht singende Erwin Schrott. Immerhin war Lawrence Brownlee ein höhensicherer, mit metallischem Kern singender Tenor sowohl in Stabat Mater als auch in der Petite Messe solennelle (in der klein besetzten Originalversion) – zwei Werke, bei denen es Pappano gelang, die spirituell-erbauliche Komponente neben der melodiös-unterhaltenden zu ihrem Recht kommen zu lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2014)

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