Eine Totenmesse in der Sommernacht

Ivor Bolton
Ivor Bolton(c) APA/BARBARA GINDL
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Ivor Bolton leitete die Symphoniker durch ein recht irdisch und etwas disparat klingendes Mozart-Requiem.

„Am 14. Februar 1791 entriß der Tod dem Hr. Grafen seine geliebte Gattinn in der Blüthe ihres Lebens (sie war noch nicht einundzwanzig).“ Das schrieb der Zeitzeuge Anton Herzog, Schuldirektor und Chorregent in Wiener Neustadt, in seinem Bericht, der erst 1964 entdeckt wurde. Der anonyme Auftraggeber von Mozarts Totenmesse war damit endlich enttarnt: der sich gern mit fremden Komponisten-Federn schmückende Musikfanatiker Graf Walsegg-Stuppach. Immerhin, der Anlass für die Komposition war ein realer Todesfall. Ein solcher veranlasste auch die Wiener Symphoniker, ihre beiden Aufführungen dem Gedenken an ihren Anfang Juni verstorbenen ehemaligen Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos zu widmen.

Leider hatte das auf die Stimmung des Gebotenen relativ wenig Einfluss. Vor allem solide und allzu profan erklang die Totenmesse im Konzerthaus. Mit Ivor Bolton stand dabei ein Mann an der Spitze der Symphoniker, der dank seiner Alte-Musik-Erfahrung originalklangpraktisch bestens informiert ans Werk ging. Das bedeutete reduzierte Vibratointensität bei den Streichern, womit sich ein lichtes Fundament ergab, um Holz- und Blechbläserstimmen stärker ins Licht zu stellen.

Stilistische Diskrepanz

Transparenter, detailreicher Orchesterklang mit markanten Akzenten und durchwegs straffere Tempi waren also Boltons Ziel. Das wirkte in den dramatischeren Momenten besser als in den lyrischen. Selbst das Lacrimosa ging diesmal nicht recht unter die Haut. Das lag wohl auch an einer stilistischen Diskrepanz: Weder die eher zu einem romantischen Klangbild tendierende als schlank fokussiert klingende Singakademie noch die recht kompakt statt schwebend transzendent singende Sopranistin Sally Matthews und der erdenschwere Bass von Peter Rose passten optimal zum Orchesterbild. Daneben gerieten der kultivierte Mezzosopran von Michaela Selinger und der propere Tenor von Joseph Kaiser etwas ins Abseits.

Seine Orchestergangart hatte Bolton bereits bei Beethovens Zweiter demonstriert: Wacker ließen sich die Symphoniker darauf ein, allerdings fehlten die letzte Spannung und die nötige Spielpräzision, um restlos überzeugen zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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