Festspiel-Bilanz: Pereira bediente die Schaulust

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Die Besucher strömen zu den Salzburger Festspielen, die Intendanz ist zufrieden. Trotzdem ist nicht alles paletti. Die Ästhetik stagniert, es fehlt an neuen Impulsen.

Hände hoch! Max Simonischek tut es, Eugenie Pastor tut es, Elina Garanča und Gloria von Thurn und Taxis tun es. Posieren ist bei den Salzburger Festspielen auf und abseits der Bühne angesagt. Auch im letzten Jahr des Intendanten Alexander Pereira, dessen Dramen mit Politik und Zahlen vor allem Journalisten vermissen werden, haben es die Salzburger Festspiele auf 271.000 Besucher und 93 Prozent Auslastung gebracht. Wir sind stolz. Pereira hat Glamour, Jetset und die Schaulust bedient.

Die künstlerische Bilanz ist ambivalent, das war sie immer schon, aber zumindest bei den Regisseuren ist eine gewisse Monotonie festzustellen. Nichts gegen Peter Stein, Luc Bondy, Alvis Hermanis, Andreas Kriegenburg, aber allzu sehr schweift die Festspielführung nicht ins Weite, wenn es um aussichtsreiche Namen geht. Sven-Eric Bechtolf, der 2015 und 2016 als künstlerisch Verantwortlicher das Festival regieren wird, scheint auch am liebsten selbst zu inszenieren.

Innovativ in der Bandbreite zwischen Frank Baumbauer und Martin Kušej ist Bechtolf nicht, er mischt geschickt Ernstes und Entertainment, hat aber auch einen Hang zu Boutiquenware – erstaunlich bei diesem Künstler, der als Schauspieler bei strengen Zuchtmeisterinnen wie Ruth Berghaus oder Andrea Breth Höchstleistungen vollbrachte. Als Chef ist Bechtolf nett zu den Künstlern und mürrisch gegenüber Kritikern. Das ist okay, doch mehr Ideen sind nötig. Will man bis 2017, wenn Markus Hinterhäuser als Intendant von den Wiener Festwochen nach Salzburg wechselt, mit neuen Impulsen warten? Klar, Salzburg braucht in der Kunst große Namen und verlässliche Partner, die Qualität ist hoch, echte Pleiten sind selten. Aber der Spielraum für wirklich Originelles und Risiko wird augenscheinlich seit Jahren immer kleiner, und das liegt nicht nur an der Unlust der öffentlichen Hand, mehr Geld zu geben.

Auch mit dem Ruf nach Uraufführungen allein wird es nicht getan sein. Man braucht eben einen sicheren Instinkt, um das Richtige zu finden. Den hat zumindest Hinterhäuser schon öfter bewiesen. Liest man Kritiken, hat man das Gefühl, es läuft recht gut, aber echte Begeisterung wie zu Herbert von Karajans oder auch zu Gerard Mortiers Zeiten, Freude, Zorn, Leidenschaft sind selten geworden – und das gilt teilweise auch, wenn man Äußerungen des Publikums lauscht. „Der Rosenkavalier“, schön, „Der Troubadour“ (Netrebko!), „Fierrabras“ (feine Musik, so schaut's aus, wenn ein Stein sich abmüht), Marc André Dalbavies „Charlotte Salomon“ (wichtige Geschichte, langweilige Musik).

Ein Blick zur Ruhr-Triennale lohnt sich

Die Ästhetik der darstellenden Kunst tritt nach den großen Neuerungen der 1968er-Theaterrevolutionäre und den Experimenten mit Medien und Film auf der Stelle. Umso mehr freuen wir uns über grandiose Schauspieler, aber mit der Zeit wäre auch wieder eine Innovation fällig à la Frank Castorf oder Matthias Hartmann. Matthias Hartmann? Der entlassene Burgtheater-Direktor? Genau dieser. Er hat sich mit Video, den Puppen von Nikolaus Habjan, Crossover, schrägem Humor von „Faust“ bis „Lumpazivagabundus“ immer wieder etwas einfallen lassen – und es war vielleicht doch nicht die beste Idee, statt Hartmann den seriösen Handwerker Georg Schmiedleitner „Die letzten Tage der Menschheit“ inszenieren zu lassen.

Das von Montblanc ermöglichte Young Directors Project, dessen Auslaufen jetzt viel beklagt wird, „erfand“ auch selten Originelles – und es war außerdem nach den Premieren teilweise sehr mäßig ausgelastet. Bechtolf sucht einen neuen Sponsor, Hinterhäuser will „etwas mit Musik“ machen, heißt es.

An neuen szenischen Fantasien führt jedenfalls kein Weg vorbei – und relativ sicher ist, dass diese mit dem weiteren Zusammenwachsen aller Künste zusammenhängen werden. Dazu muss man sich nur die Ruhr-Triennale, das Festival in Avignon oder auch den ImPulsTanz in Wien anschauen. Die multimediale, multikulturelle Performance, das Experiment mit und in neuen Räumen ist die Zukunft. Salzburgs Ästhetik ist teilweise zu altvaterisch und beflissen. Wer dem Publikum immer nachrennt, sieht nur dessen Hinterteil, so Festspielgründer Reinhardt.

Die Festspielmaschine schnurrt, die Ober im Café Tomaselli schwitzten heuer im kühlen Sommer genauso wie in heißen, der Rubel – oder vielleicht sollte man jetzt lieber sagen der Euro – rollt. Salzburg ist auch abseits der Festspiele ein Riesengeschäft. Aber Posieren wird auf Dauer nicht genügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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