Sounds & Science: Offene Ohren für die Medizin

(c) Wiener Konzerthaus
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Eine Veranstaltungsreihe führt uns klingend von Mozarts "hitzigem Frieselfieber" zur modernen Stammzellenforschung.

Komponisten sind auch nur Menschen: eingebettet in die politischen, soziologischen, kulturellen Bedingungen ihrer Zeit – und aus Sicht späterer Generationen auch gefangen in deren Defiziten, gerade auf dem Gebiet der Medizin. Können Musik und Wissenschaft einander am selben Abend befruchten, auf eine gemeinsame höhere Ebene heben? Das wollten zwei AKH-Nierenspezialisten wissen: Marcus Säemann und Manfred Hecking (früher Kontrabassist der Philharmoniker). Mit Kollegen riefen sie die gemeinnützige Reihe Sounds and Science ins Leben, die mit sieben Abenden bis ins Frühjahr 2016 projektiert ist und am Samstag im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses angefangen hat. Und schon dieser ist (sieht man vielleicht von manchmal eher ablenkenden Projektionen während der Vorträge ab) auf faszinierende, sogar bewegende Weise gelungen.

„Mozarts zweites Problem hieß: Arzt“

Säemann ging Mozarts zeittypische Infektionskrankheiten bis zum fatalen „hitzigen Frieselfieber“ durch: Streptokokken hätten die Musikgeschichte beeinflusst, nicht erst bei Mahler und seiner Endokarditis. Mozarts „zweites Problem hieß: Arzt.“ Ein großer Aderlass führte zur Schwächung, die der an einer Kreuzreaktion des Immunsystems Laborierende nicht überstehen konnte.Hecking sprach über Bachs Lebensumstände, seine Typ-II-Diabetes – und deren aktuellem Vormarsch: Was unseren Ahnen half, die Hungersnöte des 17. Jahrhunderts zu überleben, macht uns im aktuellen Nahrungsüberkonsum krank. Die Komplexität der Chaconne aus der d-Moll-Violinsuite, von Rainer Honeck in gutem Ausgleich zwischen Strenge und Freiheit dargeboten, war die beste Überleitung zum packenden Vortrag des Genetikers Josef Penninger: Seinen Einblick in die neuesten Errungenschaften der Stammzellenforschung schloss er mit dem Gedanken, dass vielleicht nur die Kunst geeignet sei, einen Weg aus so manchem Nebel des (moralischen?) Unwissens zu weisen, der sich bei aller Forschung auftun könne.

Nach der Pause lieferte Onkologe Christoph Zielinski eine souverän-fundierte Plauderei über Brahms, Risikofaktoren und dessen Pankreaskarzinom – dem heute ein Medikament noch einige gute Jahre abringen könnte. Danach wurde Brahms' f-Moll-Quintett von Honeck, Daniel Nodel, Herbert Kefer, Patrick Demenga und Pianistin Silke Avenhaus so engagiert dargeboten wie eingangs ein Quartettsatz von Mozart. (wawe)

Als Nächstes folgt „Musik & Krebs“ am 15.März. – www.soundsandscience.com .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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