Eine komische Oper von Cerha? Ja, das geht!

FOTOPROBE: 'ONKEL PRAeSIDENT'
FOTOPROBE: 'ONKEL PRAeSIDENT'(c) APA/VOLKSOPER/BARBARA PçLFFY
  • Drucken

„Onkel Präsident“, Friedrich Cerhas ironisch gebrochene „musikalische Farce“ frei nach Molnár, amüsiert unter der souveränen Leitung von Alfred Eschwé und in Josef Ernst Köpplingers temporeicher Inszenierung.

Eine Katastrophe! Das Töchterchen des amerikanischen Geschäftspartners war dem Herrn Firmenpräsidenten zur Obhut anvertraut, hat sich aber in einen Niemand verliebt, ist auch schon schwanger – und die beiden wollen heiraten. Der Millionendeal mit dem Herrn Papa ist in Gefahr. Was tun? Dem Präsidenten bleibt nur eines: den Taugenichts im Handumdrehen zum standesgemäßen Schwiegersohn auszustaffieren – koste es, was es wolle.

Was für ein Komödienstoff! Als „Egy, ketto, három“ („Eins, zwei, drei“) 1929 von Franz Molnár ersonnen, wurde das Stück 1961 von Billy Wilder verfilmt. Nun ist es gar in der Oper angekommen: Nach der Uraufführung im Vorjahr in München bereitete die einaktige „musikalische Farce“ von Friedrich Cerha und Peter Wolf mit dem Titel „Onkel Präsident“ nun an der Volksoper dem Publikum Vergnügen – vielleicht sogar ein bisschen zu dessen Überraschung...

Dazu eine Anekdote. Als sich der MGM-Boss Louis B. Mayer endlich von der Bedeutung Arnold Schönbergs hatte überzeugen lassen, trug er ihm ein lukratives Engagement als Filmmusikkomponist an und empfing den von Geldsorgen geplagten Emigranten mit ausgestreckter Hand und einer Schmeichelei: „I'm a great admirer of your lovely music.“ Schönberg versetzte es einen Stich: „My music isn't lovely“, knurrte er – und machte auf dem Absatz kehrt. Der Vertrag war geplatzt.

„Lustig“ ist Cerhas Musik nicht...

Eine komische Oper von Friedrich Cerha – wirkt der Gedanke nicht ähnlich unwahrscheinlich wie ein Hollywood-Soundtrack von Schönberg? „Lovely“ ist naturgemäß auch Cerhas Musik nicht. „Lustig“ schon gar nicht, wie auch immer das zu definieren wäre. Seine Beiträge zum Musiktheater sind tiefschürfend ernst, behandeln immer wieder Individuen, die im Widerspruch zur Gesellschaft stehen: am bedeutendsten wohl „Baal“ nach Bert Brecht, aber auch „Der Rattenfänger“ und „Der Riese vom Steinfeld“ nach Peter Turrini, 1997 an der Staatsoper uraufgeführt. Allerdings hat der mittlerweile 88-jährige Doyen unter den österreichischen Komponisten oft auch humorvoll-satirische Texte mittels geistreich kommentierender Pointen, Überraschungen und Anspielungen auf eine neue Ebene gehoben: voll Saft und Kraft etwa in den hintersinnigen „Keintaten“ nach den Wiener Mundartgedichten des Ernst Kein, experimenteller in „Eine Art Chansons“, die auf Basis von Kurt Schwitters, Ernst Jandl und anderen ihren sprachspielerisch enthüllenden Schabernack treiben.

Auf diese Erfahrungen kann Cerha zurückgreifen, der das Libretto frei nach Molnár mit Wolf in langem Hin und Her erarbeitet hat: Die gelungenen Pointen überwiegen, wenn auch der Witz manchmal ins Altväterische tendieren mag und der Text dort, wo er allzu direkte Wirtschaftskritik üben will, einen Hauch moralinsaurer Plattheit nicht vermeiden kann. Die eigentliche Story wird als temporeiche Rückblende erzählt: Prolog und Epilog zeigen den Präsidenten, wie er nach dem Trubel im Urlaub mit einem alten Komponisten (Walter Fink) über die Möglichkeit einer komischen Oper sinniert und ihm als Stoff die durchlebte „tolle Stunde“ vorschlägt...

Musikalisch macht Cerha wie einst Schönberg keine Konzessionen: Nirgends verbiegt er die geschmeidig-expressive Tonsprache seines Altersstils oder biedert sich gar an; Wortdeutlichkeit ist oberstes Gebot – trotz farbiger Instrumentierung, mit der er die ostentative Personen- und Situationsschilderung virtuos unterstreicht. Auf der Hand liegende musikalische Anspielungen sind selten so deutlich wie etwa im Falle von Strauss' „Daphne“, sie schleichen sich eher durch die Hintertür ein oder gehen noch öfter fast unbemerkt im komplexen Geflecht der Partitur auf. Mehr als für ein heiteres Zitateraten interessiert sich Cerha ohnehin inhaltlich für eine von außen konstruierte „Karriere“ und im Narrativen für romantisch-ironische (oder postmoderne) Brechungen: Neben der Rahmenhandlung sind das etwa plötzlich als zu lang beanstandete oder erst nach Sängerprotest wieder eingefügte Arien. Da hat auch Alfred Eschwé als Dirigent des souverän spielenden Volksopernorchesters mitzudiskutieren – und danach erklingt solche lyrische Innenschau wie unter Anführungszeichen, wird als retardierendes Moment geradezu entlarvt: amüsant-selbstbezügliche Spielereien, die „Ariadne“ und „Capriccio“ auf die Spitze treiben.

In Josef Ernst Köpplingers schon in München gezeigter, detailreich-vergnüglicher Inszenierung dominiert stückgemäß der auch vokal eindringliche Bassbariton Renatus Mészár als gewieft die Fäden ziehender Präsident, während das junge Paar mit Julia Koci und David Sitka sängerisch eher blass besetzt ist und auch im großen übrigen Ensemble manche Darsteller nur typmäßig passen – sei's drum.

Große Begeisterung, nicht zuletzt für die beiden Schöpfer Cerha und Wolf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.