Transzendenz und Sinnlichkeit im "Philharmonischen"

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Abo-Konzert mit Schubert, Messiaen: Im Zeichen der Auferstehung.

Die nur fragmentarisch erhaltene Vertonung eines religiösen Dramas rund um Lazarus, zuvor Rätsel, Gewalt und Majestät der Auferstehung, gebannt in die wortlos-erhabenen Töne von Bläsern und Schlagzeug: Am Wochenende vor Allerheiligen eröffneten die Wiener Philharmoniker den Reigen ihrer Abo-Konzerte mit einem thematisch geschlossenen Programm, das musikalisch eine große stilistische Bandbreite umspannte. Am Pult: Ingo Metzmacher, ein Dirigent, dessen Expertise sich das Orchester bei Opern der Moderne gern anvertraut hat – sowohl an der Staatsoper als auch in Salzburg. Dort traten sie im Sommer mit gleicher Leidenschaft für Schuberts selten zu erlebenden „Fierrabras“ ein. Beides, das Engagement für die Musik der letzten Jahrzehnte wie für Raritäten, fand Sonntagvormittag im Musikverein seine Fortsetzung – und zwar auf schöne wie eindringliche Weise.

„Ich habe das Glück, Katholik und tiefgläubig zu sein“, bekannte Olivier Messiaen im Hinblick auf jenes Werk, das trotz hartnäckiger Hust- oder Handyattacken würdevoll eröffnete. In „Et exspecto resurrectionem mortuorum“, uraufgeführt 1965, setzt er in fünf Sätzen Bibelzitate zur Auferstehung bildhaft-kraftvoll um, zieht Vogelstimmen zum Lob Gottes heran und lässt das Ganze in einem strahlenden Choral zu Gongschlägen im Marschtritt kulminieren: die Vermählung von Transzendenz und Sinnlichkeit.

Atmosphärisch dichte Aufführung

Nach der Pause: Franz Schuberts „Lazarus oder: Die Feier der Auferstehung“, eines jener faszinierenden Fragmente, die verdientermaßen in der Schubert-Rezeption immer wieder in den Fokus rücken. Denn der Komponist trifft hier trotz kontemplativer Grundstimmung mehrfach Töne von packender Dramatik, die das Vorurteil seinen Bühnenwerken gern abspricht, und scheint in der Verwischung der Grenzen zwischen Arie und Rezitativ das durchkomponierte Musikdrama Wagner'scher Prägung vorwegzunehmen.

Die Aufführung war von atmosphärischer Dichte bestimmt: Metzmacher, die Philharmoniker, der Wiener Singverein und vortreffliche Solisten zogen an einem Strang. Fein ziseliert und zärtlich im Lyrischen, mit feierlichen Chören und großer, mitreißender Vehemenz dort, wo Verzweiflung und Angst regieren – etwa in der Szene des Zweiflers Simon, den Daniel Schmutzhard mit Aplomb zeichnete. Da war der noble Steve Davislim als Lazarus schon verschieden, ausdrucksvoll betrauert nicht zuletzt von Rachel Harnisch (Maria) und Werner Güra (Nathanael). Herzliche Dankbarkeit. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

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