Die Stoyanova in „La Bohème“: Innigste Töne

Eine liebevoll besetzte, höchst lebendige Repertoire-Aufführung von Franco Zeffirellis Regieklassiker.

Italiens Meisterregisseur grämt sich über den Verkauf seiner „Aida“ durch die Mailänder Scala. Er könnte sich in Wien trösten: Seine „Bohème“-Produktion von 1962, zuletzt liebevoll renoviert, wirkt (beim 410. Mal!) sprühend wie am ersten Abend. Jugendfrische ist diesmal Trumpf. Nicht nur im zweiten Bild, in dem der perfekt vorbereitete Kinderchor (inklusive wagemutiger Solistin) das ohnehin quirlige Treiben im Quartier Latin noch kräftig aufmischt.

Schon die Szenen der Studenten und Künstler in der Mansarde strotzen vor Lebenskraft: Die Staatsoper bietet ein exzellentes junges Ensemble auf, mit Adam Plachetkas virilem Schaunard und Jongmin Parks Colline, der für seine gefühlvoll vorgetragene „Mantelarie“ vor dem tragischen Finale Sonderapplaus bekommt.

Und mit Alessio Arduinis eloquentem Marcello, der mit der hinreißend kapriziösen, im Walzerlied kokett die Klangvaleurs modellierenden Musetta Valentina Narfoniţás ein ideales Buffopärchen bildet.

Konkurrenzloser Puccini-Gesang

Das introvertiertere Gespann bilden Krassimira Stoyanova und Dmytro Popov als Mimì und Rodolfo. Der Hausdebütant aus der Ukraine schlug sich mit hellem, durchaus zu großer Entfaltung tauglichem Tenor sehr gut neben der Primadonna, deren Gesang heute von ziemlich konkurrenzloser Prägung ist: So innig kann man Puccinis lyrische Kantilenen mit Ausdruck erfüllen, ohne je auch nur einen Ton lang den Schönklang der Stimme einem übertriebenen Espressivo opfern zu müssen. Was die Stoyanova in ihren beiden Arien liefert, gehört zu den Ereignissen der heutigen Opernwelt.

Da lassen sich auch die Streicher des Staatsopernorchesters nicht lumpen und zelebrieren ihre Phrasierungskünste in flexibelstem Rubato – im dritten Bild hatten sogar die Bläser Lust, da mitzuhalten. Einige der zahllosen illustrativen orchestralen Aperçus fällt unter Dan Ettingers Leitung allerdings unter die Notenpulte.

Die lockersten Pointen serviert ja doch Alfred Šramek in seiner Doppelrolle als Hausmeister und geprellter Galan. Dank der energetischen Szene kommt auch die Stimmungsmalerei an diesem Repertoireabend nicht zu kurz. (sin)

Termine: 31. Oktober, 4. und 7. November

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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