Neue Musik, die sich auch sehen lassen kann

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Bernhard-Gál(C) Bernhard-Gál
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Bernhard Gál über Shut up and listen! Gemeinsam mit seiner Frau Belma Bešlić-Gál betreut er dessen 9. Ausgabe ab Donnerstag.

Ich hasse das Wort ,Soundart‘. Man könnte oft einfach Musik sagen.“ Bernhard Gál ist Komponist – auch wenn viele seiner Werke am Laptop entstehen und er als prononcierter Klangkünstler im vielfältigen Bereich zwischen Medienkunst, Bildender Kunst und zeitgenössischer Musik agiert.

Dass ihn die AKM dafür schon einmal unterhalb der sogenannten U-Musik eingestuft hat und er für Radiosendungen meist wesentlich weniger Vergütung erhält als jene Kollegen, die ihre Arbeiten zu Papier bringen, nimmt er mittlerweile achselzuckend hin. „Ich habe Freunde, für die es sich sogar rechnet, die Aufnahmen ihrer Improvisationen transkribieren zu lassen: Sobald man geschriebene Notenköpfe vorweisen kann, wird man plötzlich doch als Komponist von E-Musik behandelt. Absurd! Dabei wäre das nach zehn Sekunden zuhören klar.“

Von seinen künstlerischen Zielen lässt sich Bernhard Gál dadurch nicht abbringen. 1971 in Wien geboren, führte ihn die Faszination für den Klang zunächst zum Tonmeisterstudium, dann zur Musikwissenschaft. In seiner psychoakustischen Diplomarbeit hat er den in Worten nicht definierbaren Swing in dynamischen und rhythmischen Nuancen von „Walking Bass“-Passagen durch exakte Messungen dingfest machen können. Obwohl ihm der naturwissenschaftliche Zugriff ein bisschen widerstrebte: „Mir war der Jazz auch etwas Heiliges. Manuell bin ich ein schlechter Musiker, weil ich immer zu faul zum Üben war. So bin ich draufgekommen, dass ich lieber komponiere.“ Arbeiten am Theater mit dem Regisseur Ludwig Wüst, die Verbindung von Klang, Licht, Raum und Performance, regten Gáls Fantasie dann besonders an. „Ich war erst 22 damals, habe auch noch in Bands gespielt – und auf einmal fand ich mich improvisierend auf der Bühne, mit Samples und Keyboard.“ Zum inspirierenden Einschnitt wurde dann der Zivildienst am Leo Baeck Institute in New York, wo Gál Interviews mit Holocaust-Überlebenden geführt hat.

Zeit für Zufall und Systeme

Eine seiner erfolgreichsten Unternehmungen ist das interdisziplinäre Musik- und Klangkunst-Festival Shut up and listen!, das er gemeinsam mit seiner Frau, der Komponistin Belma Bešlić-Gál, betreut und dessen 9. Ausgabe ab Donnerstag, unter dem Motto „Time, and again“ die Zeitwahrnehmung ins Zentrum rückt und Genres und Zugänge ineinandergreifen lässt: etwa mit der Fluxus-nahen Performance „American Can“ des 2009 verstorbenen Klangkunstpioniers Max Neuhaus, einem Vortrag über afrikanische Musik des legendären Ethnomusikologen Gerhard Kubik, zwei „Studies for Player Piano“ von Conlon Nancarrow, Lukas Ligeti live am akustischen Schlagzeug sowie dem Duo Brandlmayr/Hegenbart. Peter Ablinger lauscht Schwammtüchern beim Tropfen, die Videokünstlerinnen Tina Frank und Michaela Schwentner sind mit audiovisuellen Installationen präsent, und beim „Shut up and listen! Award 2014“ erklingt u.a. ein Werk für Donnerblech solo (!) von Abel Paúl. Gál: „Wir wollen damit auch die Publikumssegmente mischen, rhythmische Phänomene zwischen Freiheit und Determination zeigen.“

Shut up and listen: 27.–29.11., Echoraum, Sechshauser Straße 66, 1150 Wien. www.sp-ce.net/sual/2014/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2014)

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