Doktor Schiwago sorgt für Streit in Regensburg

Doktor Schiwago
Doktor Schiwago(c) ORF (-)
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„Kitsch“, rufen deutsche Rezensenten, „Skandal“, schreit der russische Komponist der Oper.

Eine Oper nach Pasternaks Roman „Doktor Schiwago“ hat der Intendant des Theaters Regensburg, Jens Neundorff von Enzberg, bei dem russischen Komponisten Anton Lubchenko in Auftrag gegeben. Der 1985 geborene Musiker ist nicht nur schöpferisch, sondern auch als Kulturmanager tätig. Das ist nützlich in Sachen Kulturaustausch. Die deutsch-russische Freundschaft war bei Auftragsvergabe noch nicht ins Wanken geraten. Und Lubchenko plante verständlicherweise eine Übernahme der Regensburger Produktion in das von ihm selbst geführte Opernhaus von Wladiwostok.

Ein paar Wochen vor der Premiere hin allerdings der Haussegen schief. Diese Inszenierung, so verkündete der Komponist, würde er nie und nimmer in Russland zeigen. Regisseur Silviu Purcarete hätte ein völlig verzeichnetes, von Vorurteilen und Stereotypen geprägtes Russland-Bild auf die Bühne gebracht.

Purcarete, der mit der Presse ohnehin nie spricht, nahm zu diesem Vorwurf gar nicht Stellung. Die Premiere ging am 24. Jänner über die Bühne. Danach kommentierten die Rezensenten und schoben den Schwarzen Plattitüden-Peter postwendend dem Komponisten zu. Lubchenko spiele, so hieß es, mit Assoziationen und Zitaten der romantischen russischen Operngeschichte. Von Mussorgsky bis Borodin und Tschaikowsky sei alles vertreten; ein Schuss Schostakowitsch garantiere den Anschluss ans vorige Jahrhundert.

Deutschlandradio bescheinigt Lubchenko immerhin große handwerkliche Meisterschaft – und weist nach, dass der Komponist schon im Libretto gegen Russland-Klischees agitiert: Der Westen, so heißt es da, will „die ach so tragische Seele von Mütterchen Russland einfach nicht verstehen“. Ausdrücklich lehnt Lubchenko übrigens auch die berühmte Filmversion aus Hollywood als Verfremdung ab.

Regensburg bietet bis Ende Mai noch zehn Vorstellungen von „Doktor Schiwago“. Anton Lubchenko gibt die musikalische Leitung aber am 29.Jänner an Tom Woods ab. Das Solistenensemble rekrutiert sich nicht nur aus Mitgliedern des Opernhauses von Wladiwostok, sondern auch jenen des St.Petersburger Marinskij-Theaters, dessen Leiter, Valery Gergiev, zu den großen Förderern Lubchenkos gehört. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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