Mariss Jansons eint Antipoden Mahler & Strauss

(c) EPA (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Letzte Gastspielreise des Dirigenten mit dem Concertgebouw – auf den Klangspuren eines großen Orchesters.

Seit der legendären Ära Willem Mengelbergs hat das Concertgebouw-Orchester, Amsterdam, eine innige Beziehung zu den (dirigierenden) Komponisten Gustav Mahler und Richard Strauss. Anderswo galten die beiden als unvereinbar. Die Spieltradition des holländischen Spitzenensembles vermittelt den Musikern bis heute die rechten stilistischen Kenntnisse für die Musik beider Meister.

Mariss Jansons hat für das erste der beiden Konzerte, die er zum Abschied von seinem Orchester – 2016 übernimmt Daniele Gatti seine Funktion – im Wiener Musikverein programmiert hat, die jeweils ungewöhnlichsten der großen symphonischen Werke der beiden Komponisten gewählt: Er stellte Strauss und Mahler, die als Vorkämpfer riesiger Orchesterbesetzungen berühmt und berüchtigt wurden, quasi in kammermusikalischer Verkleidung vor.

Beide, das weiß man, finden auch mit reduzierter Instrumentalistenmannschaft zu groß aufrauschender, romantischer Klanggeste. Doch machten schon die ersten Takte der Suite aus dem „Bürger als Edelmann“, einst als Vorspiel zur „Ariadne auf Naxos“ konzipiert, deutlich, worauf es Jansons diesmal ankam: Ein dermaßen subtil ausbalanciertes Pianissimo realisiert auch ein Eliteorchester wie dieses nur in Ausnahmeminuten.

Amsterdamer Ausnahmeminuten

Und das bei höchster Eloquenz: Die witzigen Pointen und feinsinnigen Aperçus dieser gestisch hochaktiven Schauspielmusik wurden vor allem von den Bläsern und der famosen Solocellistin mit Akkuratesse serviert.
Bis in die kleinste Stimme differenziertes Spiel sicherte nach der Pause auch Mahlers Vierter ihre hintergründige, doppelbödige Aussagekraft. Ja, der Komponist schwingt sich da zu ungewöhnlich luftigen, lichten melodischen Bögen auf, die das Concertgebouw-Orchester auch mit Hingabe zum Singen bringt. Doch kennt die Mahler'sche Poly- oder besser: Heterophonie viele Fallstricke und Störelemente, die uns noch im – von Dorothea Röschmann wohltönend gesungenen – abschließenden Lied vom „himmlischen Leben“ fühlen lassen, dass es hier nicht immer mit rechten Dingen zugeht.

Auch diese Mahler-Symphonie steckt voller Abgründigkeiten, rechnet, wie der Komponist selbst meinte, „im großen Einmaleins“. Die großen Gefühle, um die es letztlich geht, lassen sich auch mit verhältnismäßig kleiner Besetzung beschwören. Jubel!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.