Konzerthaus: Ohrenfreuden im Zeichen des Absinths

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Lyrik von Paul Verlaine, vertont zwischen schwärmerischer Innigkeit und satirischem Witz: ein exquisiter Liederabend à la française mit Philippe Jaroussky.

Die herrlich überdrehte Arie aus Chabriers satirischer Opéra bouffe „Fisch-Ton-Kan“, bei welcher der Pianist den Chorpart übernahm, dann Reynaldo Hahns traumverlorene Deutung von „L'heure exquise“ – und als dritte Zugabe noch eine überaus charmante Interpretation der „Colombine“ von Georges Brassens: Da wechselte ein stimmlich leichtfüßig tänzelnder Philippe Jaroussky gegen Ende nicht nur vom Countertenor in die gewöhnliche Lage, sondern pfiff die letzten Phrasen auch noch – das finale, augenzwinkernd servierte Häppchen „amuse oreille“ für das herzlich jubelnde Publikum im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses.

Manche Vertreter seiner Zunft begnügen sich ja mit den virtuosen Kastraten- und Hosenrollen der Barockzeit, andere haben sich auf Neue Musik spezialisiert. Jaroussky übt sich in beidem, singt Monteverdi bis Dalbavie, hegt aber auch eine besondere Leidenschaft für das französische Kunstlied: Welch exquisite Kleinodien da zwischen den Gesängen des Fin de Siècle, die bescheiden-irreführend „mélodies“ genannt werden, und Chansons modern-populäreren Zuschnitts zu entdecken sind, machen er und sein Klavierpartner Jérôme Ducros auf einer neuen Doppel-CD ebenso wie auf Konzerttournee hörbar.

„Clair de lune“, „Mandoline“

Sechs Jahre nach dem Programm „Opium“ ist diesmal der Absinth das herbe, in seiner Wirkung aber angeblich so poetisch-süße Gift ihrer Wahl – und Paul Verlaine die verbindende Klammer. Dessen viel gerühmte Lyrik hat ganze Generationen von Komponisten inspiriert, deren Werke hier in zwei ungemein dicht und dramaturgisch klug aufgebauten Konzertteilen zusammengeführt waren – wobei einige Gedichte in zwei oder gar drei Deutungen erklangen: „Clair de lune“ und „Mandoline“ etwa standen nicht nur in den bekannten Versionen von Debussy und Fauré auf dem Programm, sondern das erste auch in einer sanft wogenden Vertonung von Józef Zygmunt Szulc, das zweite hingegen, versehen mit einer zauberhaft lautmalerischen Schlusspointe (das Klavier ahmt die Mandoline nach), aus der Feder von „Poldowski“ (so das Pseudonym von Régine Wieniawski, der Tochter des großen Geigers).

Verblüffend, wie nuancenreich und feinsinnig die ja vorwiegend melancholisch-schwerblütigen Nummern klangen und welcher Abwechslungsreichtum im Kleinen da stets Spannung garantierte, ohne die Grundstimmung zu stören. Jaroussky erwies sich als Meister der zart formulierten Phrasen, in denen sich sein Timbre zu größtem Wohllaut entfaltete; Ducros umspielte die Stimme mit sensibler Hand und stieß nur in den virtuoseren Solostücken (etwa Debussys „L'isle joyeuse“) an klangliche Grenzen. Herausragend: Piècen von Charles Bordes und Déodat de Séverac, kokett aufrauschende Walzerklänge von Léo Ferré, Hahns wundersam zarte Klage des „Chanson d'Automne“, der sanft betörende Swing von Charles Trenets „Verlaine“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2015)

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