Osterfestspiele: Tschaikowsky grimmig, Schostakowitsch brutal

Arcadi Volodos
Arcadi Volodos(c) EPA (Urs Flueeler)
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Jubel für den brillant-gefährlich klingenden Tschaikowsky des Arcadi Volodos sowie Schostakowitschs Stalin-Abrechnung mit der Staatskapelle Dresden unter Daniele Gatti.

Auf der Opernbühne der Osterfestspiele stehen die Initialwerke des italienischen Verismo, im Konzert regiert dagegen russische Musik des 19. und 20. Jh.s: ein dramaturgischer Spagat, der für den künstlerischen Leiter, Christian Thielemann, unter dem Oberbegriff der „emotionalen Grenzerfahrungen“ gelingen soll. Ein Werk wie Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert allerdings führt, wenn schon, dann eher an pianistische Grenzen – zumindest bei gewöhnlichen Solisten.

Arcadi Volodos zählt nicht zu diesen. Es donnert und blitzt zugleich aus dem Steinway, wenn der 43-jährige St.Petersburger etwa mit stupender Lockerheit die Einleitungsmelodie in Akkordkaskaden wiederholt oder wenn er später das Hauptthema nervös zucken lässt. Seine Anschlagspalette reicht von fast brutaler Härte bis zu spinnwebgleicher Zartheit. Das erlaubt ihm, vielstimmig-komplexe Sätze überdeutlich zu gliedern – und unvermittelt von einem Extrem ins andere zu fallen: Im rasanten Mittelteil des Andantino ließ er inmitten seiner wie hingetupften Begleitfigurationen die ansteigenden Motive jeweils als Forte-Raketen in die Höhe schnellen und hob auch viele andere Details ähnlich widerborstig hervor. Daneben schraubte er etwa das übliche Fortissimo in der schwärmerischen 6/4-Takt-Passage des Stirnsatzes unvermittelt zum Piano zurück, um ein großes Crescendo vorzubereiten: Das alles verlieh seiner Interpretation einen gefährlichen Unterton von großer Spannung.

Staatskapelle Dresden: Etwas zäh

Ganz so souverän und flexibel konnte die Staatskapelle Dresden unter Daniele Gatti da nicht folgen: Immer wieder reagierte der große Apparat etwas zäh und schwergängig auf den quecksilbrigen Pianisten. Als Zugabe kehrte dieser sich freilich ab von allem Tastendonner: Seine Beschwörung der kapriziös-feingliedrigen „Jeunes filles au jardin“ von Frederic Mompou war das klingende Pendant einer alten Ansichtskarte aus weiter Ferne.

Unangenehm nah rückte danach freilich Dmitri Schostakowitschs monumentale Symphonie Nr. 10 – und gut so. 1953 uraufgeführt, neun Monate nach Stalins Tod, basiert sie tatsächlich auf einer Grenzerfahrung, indem sie eine verschlüsselte Abrechnung mit dem Diktator und eine selbstbewusste Feier des eigenen Überlebens darstellt: mit den Initialen D-Es-C-H des Komponisten als zuletzt triumphierendem Hauptmotiv. Hier führten Gatti und die Staatskapelle ein packendes Pandämonium von nie abflachender Intensität vor: Düsternis, grell schneidende Schärfe, blankes Entsetzen, beißende Ironie und immer wieder beklemmend einsame Holzbläserlinien, von den Dresdnern großartig dargestellt.

Wiederholung: Ostersonntag, 19 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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