Barenboim spielt Schubert – klug kombiniert

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A-Moll und A-Dur, a-Moll und a-Moll: Über Daniel Barenboims am Dienstag eröffneten Schubert-Sonatenzyklus.

Wenn die Berliner Philharmoniker am Montag ihren neuen Chefdirigenten wählen, zählt Daniel Barenboim zu den Favoriten. Er ist GMD an der Berliner Lindenoper, Ehrendirigent des Chicago Symphony Orchestra und der Staatskapelle Berlin, Leiter des West-Eastern Divan Orchestra und langjähriger Gastdirigent bei allen großen Orchestern. Kaum ein Dirigent hat ein so weites Repertoire wie er; er pflegt auch das klassisch-romantische Kernrepertoire, das bei den Berlinern zuletzt etwas ins Hintertreffen geraten ist.

Von Bach bis in die Gegenwart reicht auch sein Repertoire als Pianist. Als solcher hat er schon mit zehn Jahren seine musikalische Laufbahn begonnen und findet noch immer Zeit für seine ursprüngliche Berufung. Auch hier sucht er stets neue Herausforderungen. Schubert-Lieder hat er schon mit Dietrich Fischer-Dieskau musiziert; die Klaviersonaten hat er sich erst in den vergangenen Jahren erarbeitet, bei den Salzburger Festspielen, zuletzt auch in einer CD-Box, präsentiert.

Jetzt stellt er seine Sicht der Schubert-Sonaten in einem vierteiligen Zyklus im Musikverein vor. Dabei führt er sie nicht chronologisch auf (da müsste er sämtliche Sonaten, auch die unvollendeten, spielen), sondern in klugen Zusammenstellungen. Jeweils eine große Sonate bildet den Schluss: Am ersten Abend war das die späte A-Dur-Sonate D 959, am Freitag wird es die c-Moll-Sonate D 958 sein, am Sonntag die D-Dur-Sonate D 850 und am Dienstag die finale B-Dur-Sonate D 960.

Wiederkehrende Themen

Dass Barenboim für den Beginn des ersten Abends eine frühe Sonate in a-Moll gewählt hat und den letzten Abend mit einer späteren a-Moll-Sonate eröffnen wird, unterstützt die Dramaturgie. Die Eröffnung des Zyklus mit der quasi „kleinen“ a-Moll-Sonate D 537 liegt auf der Hand, zumal man den Abend mit der A-Dur-Sonate D 959 beschließt. Das Mittelsatzthema der a-Moll-Sonate kehrt nämlich im Finale der A-Dur-Sonate wieder, durch Modulationen verfeinert, farblich erweitert und mit einer virtuosen Stretta gekrönt.


Bei diesem von Schuberts unendlicher Melodie kündenden, formal herausfordernden Finalstück war Barenboim in seinem Element. Bei aller feinnervigen Themenmodellierung legte er den Fokus auch auf die orchestrale Idee des Werks, ohne dessen dominierende Kantabilität zu vernachlässigen, die er durch eine weite Anschlagspalette noch betonte. Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit des Ausdrucks und untrügliches Gefühl für die stetig wechselnden Harmonien prägte schon Barenboims Darstellung der intimen kleinen A-Dur-Sonate in D 664: eine gleichfalls mehr auf die große Linie denn auf Details zielende, differenzierte Interpretation mit delikatem Anschlag und musikantischem Charme.

Weitere Abende: 8., 10. und 12. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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