Cecilia Bartolis künstlerische Bitten wurden vom Olymp erhört

Pfingstfestspiele. Das bunte Salzburger Programm mit Händels „Semele“ konzertant, John Neumeiers ewig junger „Sommernachtstraum“- Choreografie und Konzerten mit Philippe Jaroussky sowie Vater und Sohn Prégardien: zarte und prunkvolle musikalische Triumphe.

„No, no! I take no less/Than all in full excess“, entfährt es der exemplarisch eitlen Semele, wenn ihre Hybris sie schließlich so weit treibt, von ihrem Geliebten Jupiter zu verlangen, sich ihr nicht länger in menschlicher Form zu zeigen, sondern sein volles göttliches Wesen zu offenbaren. Auch als künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele gibt sich Cecilia Bartoli, diese nimmermüde Kombination aus Kassenmagnet, Bühnenwirbelwind und Dynamo hinter den Kulissen, erst mit dem vollen Überschwang zufrieden.

Doch zum Glück bedeutet das nicht ihren vorzeitigen Untergang, wie er Semele ereilt, die vor dem Anblick des Göttervaters gleichsam verglüht – im Gegenteil: Bartolis Vertrag wurde schon im Herbst bis 2021 verlängert, läuft also auch während Markus Hinterhäusers Sommerintendanz weiter.

„So ruf' ich alle Götter“, lautete mit den Worten von Goethes Iphigenie diesmal das Motto: Auf eine ungeschönt reduzierte Lesart von Glucks „Iphigénie en Tauride“ folgte gewissermaßen das Satyrspiel. Georg Friedrich Händels auf andere, eigene Weise ungewöhnliche „Semele“, für die das gleiche gilt, was einst Glucks Parteigänger Abbé Arnaud über dessen Künste schrieb: Die Töne, „die er gewählt hat, sind stets wahr, leidenschaftlich und von der Natur sanctioniert“.

Händels wahrhaftige Töne

So wurde das Publikum bei dieser nominell konzertanten, aber von viel szenischem Feuer angeheizten Aufführung Zeuge, wie Bartoli in der Titelpartie weit ausgespannte Koloraturgirlanden, sprudelnde Triller und moussierende Kantilenen zur Charakterzeichnung einer eitlen Frau zusammenfügte, welcher der plötzlich erlangte Celebrity-Status zu Kopf steigt wie eine Droge. Mit klimpernden Wimpern das Publikum zu ihrem Komplizen zu machen, darauf versteht sich Bartoli wie kaum eine sonst, verliebt sich kokett in ihr Spiegelbild, zeigt dem Gott die nur denkbar kälteste Schulter, bis sie ihn erfolgreich um den Finger gewickelt hat. Köstlich.

Da kann auch der famose, weil in perlenden Läufen und zartem Schmachten gleich virtuose Charles Workman als Jupiter nur unterliegen – und muss sie nolens volens töten. Daneben zürnte Birgit Remmert als hinterlistige Juno so vehement, dass es auch für die Fricka gereicht hätte, während Andreas Scholl keusche Liebestöne hören ließ und Rebeca Olvera als silbrig-quirlige Iris erfreute. Insgesamt geriet dem Ensemble im Verein mit den nuanciert und farbig spielenden „Barocchisti“ sowie dem homogenen Coro della Radiotelevisione Svizzera unter Diego Fasolis die mitreißende komödiantische Durchdringung einer Barockpartitur fernab puristischer Anämie.

Zu den „Göttern“, die Bartolis Ruf folgten, zählte auch John Neumeier, der mit seinem Hamburg Ballett gastierte: Seine Choreografie von „Ein Sommernachtstraum“, seit 1977 mehrfach erneuerter Klassiker, hat nichts von ihrer Strahlkraft verloren und geriet zu einem Triumph nicht bloß des Balletts, sondern des Theaters an und für sich.

Kluge Dramaturgie in den Konzerten

Festspielniveau bewiesen auch Konzerte, in denen das Motto aus anderen Richtungen beleuchtet wurde – vergleichsweise konventionell, aber feinsinnig und mit stupender Geläufigkeit etwa bei einem nachmittäglichen Händel-Konzert von Philippe Jaroussky und dem Ensemble Orfeo 55 unter der ebenso einfühlsamen wie versierten Dirigentin und Altistin Nathalie Stutzmann; origineller noch bei der Matinee der Tenöre Christoph und Julian Prégardien: Da erweckten Vater und Sohn mit dem Ensemble Anima Aeterna bewegende Monteverdi-Szenen und Madrigale zum Leben, bevor sie mit Jos van Immerseel am Hammerklavier Schubertlieder in teils zweistimmigen Bearbeitungen sangen: traute Eintracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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