Als hätte man den Pianisten ausgewechselt

GERMANY MUSIC PHILADELPHIA ORCHESTRA
GERMANY MUSIC PHILADELPHIA ORCHESTRAAPA/EPA/SOEREN STACHE
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Pollini und Ax in Wien: Das Beste kam nach der Pause.

Der Pianist Wilhelm Kempff lief meist erst nach der Pause zu seiner Form auf. Ähnlich war es bei Maurizio Pollinis Festwochen-Abend im Konzerthaus. Vor allem bei Schumanns „Kreisleriana“ kämpfte er immer wieder mit technischen Unzulänglichkeiten. Die Natürlichkeit, mit der er die Fantasiestücke zu einem selbstverständlichen großen Bogen zusammenführte, auch viele mit differenzierter Dynamik musizierte Details namentlich in langsameren Passagen konnten dies nicht ganz vergessen machen. Nervosität trübte zuvor schon seine diesmal mehr routinierte als inspirierte Darstellung von Schumanns „Arabeske“.

Wie ausgewechselt schien er nach der Pause bei Chopin. Die Barcarolle war untadelig. Mit Brillanz und nie erlahmender Spannung widmete er sich dann der Polonaise-Fantaisie Op. 61, bei der er auch seine Dispositionskunst zeigte. Bei der impressionistisch gefärbten Berceuse und der dem Effekt huldigenden As-Dur-Polonaise Op. 53 bewies er einmal mehr seine nuancenreiche Wandlungsfähigkeit. Kein Wunder, dass er den Zugabenreigen mit einer hinreißend-virtuosen, von staunenswerter Anschlagskultur begleiteten „Revolutionsetüde“ begann. Ob ein reiner Chopin-Abend nicht besser gewesen wäre?

Ein ähnliches Bild im Musikverein, beim zweiten und letzten Abend des erstmals hier unter dem neuen Musikdirektor Yannick Nézet-Séguin gastierenden Philadelphia Orchestra. Mit dem blendend gelaunten, musikantisch-elanvollen Emanuel Ax gelang Beethovens c-Moll-Klavierkonzert Op.37 wie aus einem Guss, beseelt in lyrischen, wirkungssicher in virtuosen Passagen. Auch die Zugabe, ein mit dem Dirigenten vierhändig charmant und elegant gespielter Brahms-Walzer, wirkte viel besser als die zuvor zerdehnte, in Details zerfallende, die Sätze pausenlos aneinanderreihende Dritte Brahms. (dob)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)

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