Dirigent im Gespräch: Chaillys Abschied von Leipzig

(c) EPA (Urs Flueeler)
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2016 verlässt Riccardo Chailly das Gewandhausorchester. Mit der „Presse“ sprach er über seine Pläne für Mailand – und sein kommendes Gastspiel in Wien.

Noch im Vorjahr hat Riccardo Chailly seinen Vertrag als Leipziger Gewandhauskapellmeister bis 2020 verlängert. Jetzt ist es anders gekommen. Vor wenigen Tagen teilte er mit, dass er das Orchester Ende diese Saison nach elfjähriger Chefdirigentenzeit verlassen werde.

Für diese Entscheidung gibt es vor allem zwei Gründe: Erstens ist Chailly seit Jahresbeginn als Principal Guest Conductor an der Mailänder Scala, wo er 2017 für fünf Jahre die Stelle eines Musikdirektor übernimmt. Zweitens wurde er jüngst zum Musikdirektor des Lucerne Festival Orchestra designiert. „Ich fühle mich sehr geehrt, in dieser Aufgabe Claudio Abbado zu folgen, mit dem mich bis zu seinem Tod eine enge Freundschaft verbunden hat“, kommentiert er diese Berufung. Sie wird ihn in den nächsten fünf Jahren für jeweils zwei zweiwöchige Perioden an das renommierte Schweizer Festival binden.

Zwölf Puccini-Opern an der Scala

Im Dezember wird Chailly mit Verdis „Giovanna d'Arco“ die neue Scala-Saison eröffnen. Ausgesucht hat er dieses Werk, das er bereits vor 20 Jahren in Bologna dirigiert hat, gemeinsam mit Intendanten Alexander Pereira. „Auch weil wir mit Anna Netrebko eine Sängerin für die komplexe Titelrolle haben“, erklärt er der „Presse“: „Sie liebt diese Partie und hat sie auch schon gesungen.“

Auch sonst wird das italienische Repertoire für seine Tätigkeit als Scala-Musikchef sehr wichtig sein. So wird er selbst zwölf Puccini-Opern dirigieren. Geplant ist, sie als DVD herauszubringen. Auch im Konzert wird er mit dem Scala-Orchester intensiv zusammenarbeiten. Hier ist ebenfalls an Gastspiele gedacht. Das werde man bewusst langsam angehen: „Schritt für Schritt.“ Fix ist jedenfalls ein Auftritt bei den kommenden Salzburger Festspielen mit einem Cherubini-Rossini-Verdi-Programm. Weitere Projekte, die den Mailänder Maestro mit seinem Orchester auch nach Wien führen könnten, bezeichnet er vorderhand als „noch nicht spruchreif“.

Und in seinem letzten, elften Jahr in Leipzig? Vor allem wird er seinen Mahler-Symphonien-Zyklus auf DVD vollenden. Eben erst ist die „Siebente“ herausgekommen. Offen sind damit nur mehr die „Dritte“ und die „Zehnte“, diese wird er in der vervollständigten Fassung von Deryck Cooke aufführen.

Nach Wien kommen Chailly und das Gewandhausorchester zum vermutlich letzten Mal Anfang Oktober: Gleich dreimal, denn erneut sind sie zu einer Residenz in den Musikverein eingeladen. In den letzten Jahren haben sie sich hier u. a. mit Bach, Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Brahms und auch einigen zeitgenössischen Auftragswerken präsentiert, diesmal setzen sie auf Mozart und Richard Strauss: Sie kombinieren je ein Mozart-Konzert mit zwei der sechs Strauss-Tondichtungen. „In dem Programm, in dem wir Mozarts letztes Instrumentalkonzert, das Klarinettenkonzert, spielen, führen wir auch die späten ,Metamorphosen‘ von Strauss auf, die Summe eines Genies“, sagt Chailly. Mit diesem Mozart-Strauss-Zyklus wird man nach Wien auch in Paris und London gastieren.

Werden diese Zyklen, mit denen Chailly die Internationalität seines Orchesters wesentlich gesteigert hat, auch unter seinem Nachfolger weiter bestehen? Dieser soll noch diese Woche vorgestellt werden und hat ein schwieriges Erbe zu bewältigen. Nicht nur, weil Chailly mit dem Orchester zahlreiche international hoch geschätzte Einspielungen vorgelegt hat. Sondern vor allem, weil er es in eine bisher nicht erreichte Höhe geführt hat.

Packend: „Macbeth“, „Zarathustra“

Davon konnte man sich dieser Tage im Leipziger Gewandhaus vergewissern – bei einem der drei Programme, die auch im Goldenen Saal zu hören sein werden: „Macbeth“ und „Also sprach Zarathustra“ von Strauss sowie Mozarts G-Dur-Violinkonzert KV 216. Chailly arbeitete die Dramatik des von Shakespeare beeinflussten „Macbeth“ packend heraus, betonte dessen theatralische Komponente in seiner überaus klangsinnlichen Deutung.

Beim nicht nur im Vergleich zum Sturm-und-Drang-Stück „Macbeth“ altersweisen „Zarathustra“ prunkten die Leipziger einmal mehr mit ihrer charakteristischen Klangkultur – selbst wenn bei den Blechbläsern nicht alles gleich brillant gelang, das Cello-Solo selbstbewusster hätte ausfallen können. Bei Mozarts erstem, meisterlichem Violinkonzert zeigten sich die in traditioneller Manier musizierenden Leipziger als einfühlsame Begleiter des Solisten Christian Tetzlaff: Er zeigte klar fokussierten Ton, eloquente Phrasierung und nobel distanzierte Emotion.

Wiener Musikverein: 5., 7. und 8. Oktober

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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