Wo haben die Geigen ihren richtigen Platz?

(c) Teresa Zötl
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Im jüngsten Philharmonischen unter Bychkov flankierten die Violinen das Dirigentenpult. Setzt sich wieder die „alte Ordnung“ durch?

Hatten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beinahe überall auf den Konzertpodien die tiefen Streicher rechts, die Violinen links vom Dirigenten Platz genommen, sieht man nun wieder verstärkt, was für Maestri wie Furtwängler, Bruno Walter oder Otto Klemperer – aber etwa auch in Russland bei Jewgeni Mrawinski im damaligen Leningrad – selbstverständlich war: Die beiden Violingruppen flankieren das Dirigentenpult.

Jüngst im Wiener Philharmonischen unter Semyon Bychkov konnte man hören, dass diese „alte deutsche Ordnung“ nicht nur im Falle der Wiener Klassik sinnvoll scheint. Bei Haydns „Trauersymphonie“ ist es von bezaubernder Wirkung, wenn im langsamen Satz die weit geschwungene Melodie von beiden Seiten des Podiums her ertönt, bis sich die ersten von den zweiten Violinen lösen.

Tschaikowsky wiederum hat im Finale seiner „Pathétique“ einen halluzinatorischer Effekt komponiert: Die Oberstimme scheint mehrmals pro Takt zwischen den beiden Seiten hin und her zu schwanken. Beides, Haydns „Breitwandklang“ und Tschaikowskys Verwirrspiel, werden bei der zuletzt gewohnten Sitzordnung, bei der die zweiten hinter den ersten Geigen zu sitzen kommen, gar nicht hörbar!

Ehrenrettung der zweiten Violinen

Die Wiederherstellung der klassischen Sitzordnung kommt einer Ehrenrettung der zweiten Violinen gleich, die in der Literatur eine viel bedeutendere Rolle spielen als es den Anschein haben mag. Wie oft beginnt Mahler etwa eine Entwicklung in den Sekundgeigen und lässt die ersten dann „übersingen“ – die melodische Führung wandert dann hörbar von rechts nach links, polyphone Strukturen werden für das Auditorium transparenter.

Interessanterweise hat sich in der Oper diese klassische Geigen-Stereotechnik bis heute erhalten. Wer in den Orchestergraben im Haus am Ring blickt, wird sie – abgesehen von „kleinen“ Mozart- oder Rossini-Besetzungen, bei denen die Bläser alle rechts zu sitzen kommen – in der Regel vorfinden. In Bayreuth, wo man das Orchester nicht sehen kann, mag manchem Neugierigen schon aufgefallen sein, dass die Violingruppen die Rollen tauschen: Das liegt an den akustischen Gegebenheiten des Festspielhauses: Rechts sitzend, sind die Primgeigen bevorzugt, weil sie quasi aus dem Schalldeckel heraus spielen, nicht in diesen hinein, also ,,zur Wand“. Der Dialog mit den Kollegen ,,von der anderen Seite“ bleibt freilich erhalten .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2015)

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