Exquisite Klänge aus der Walachei

ROMANIA CLASSICAL MUSIC FESTIVAL
ROMANIA CLASSICAL MUSIC FESTIVAL (c) APA/EPA/ROBERT GHEMENT
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Rumänien. Von „Vox maris“ bis zum „Ulisse“, vom „Bolero“ bis zum „Lied von der Erde“: Eindrücke eines nachsommerlichen Besuchs beim George-Enescu-Festival in Bukarest.

Als Johann Strauß 1848 mit seinem nur 15-köpfigen Tanzensemble im damals exotischen Bukarest seine „Klänge aus der Walachei“ aufspielte, konnte er nicht ahnen, dass 110 Jahre später Yehudi Menuhin dort ein großzügig angelegtes Orchesterfestival ins Leben rufen sollte, um das Andenken seines verehrten Lehrers George Enescu zu ehren. Ab 2001 findet es alle zwei Jahre im September statt, seit 2007 künstlerisch betreut von Ioan Holender, und auch heuer, in der 22.Saison, waren alle da: Metha, Rattle, Thielemann, Norrington, Bychkov, Nelons, Harteros, Leonskaja, Mutter, Garrett, die Weltspitzenorchester aus Israel, Berlin, Dresden, München, London, Amsterdam, St.Petersburg, Paris, Salzburg und Wien usw. usf.

Den lockeren programmatischen Faden bildete das Werk des in unseren Breiten immer noch vernachlässigten George Enescu, von dem nicht nur „Schlager“ wie die 2.Rhapsodie erklangen, sondern auch die grandiose Orchesterkantate „Vox maris“, eine tiefgründig-mystische Auseinandersetzung mit dem Sirenenmythos, sowie sein Schwanengesang, die luzid-abschiedsahnende Kammersymphonie für zwölf Instrumente.

Junges Publikum

Im Athenäum, einem runden, 700 Personen fassenden, herrlich dekadenten Konzertsaal aus dem Jahr 1888, gab es spätnachts eine konzertante Aufführung von Monteverdis „Ulisse“, in der gigantischen, akustisch aber höchst problematischen Sala Palatului eine konzertante „Elektra“. Beide Orte liegen mitten im Zentrum Bukarests, das sich an drei milden Spätsommertagen von seiner prächtigsten Seite gezeigt hat. Beide Säle waren stets voll, das Publikum war im Schnitt deutlich jünger als bei uns und von kundigem Musikenthusiasmus, allerdings beim Zuhören weniger andachtsvoll, so sind Smartphones und Wasserflaschen zum embryonalen Zwischendurchnuckeln bei Jung und Alt omnipräsent.

Bei den besuchten Konzerten beeindruckten besonders: der noch nie so gehörte Attacca-Übergang zwischen der im Nichts verlöschenden Ravel-„Pavane“ und dem genau von dort her erklingenden Trommelrhythmus des „Bolero“ (Monte Carlo Philharmonic), Ruxandra Donoses verklärtes „Ewig, ewig?“ im „Lied von der Erde“ sowie der bestrickend-intime Dialog zwischen Elisabeth Kulmans fürstlichem Luxusmezzo und dem samtig verwehenden Hörnerklang der Wiener Philharmoniker in Wagners letztem „Wesendonck“-Lied.

Diese hatten zuvor unter Semyon Bychkov Haydns „Trauersymphonie“ in einer so samtigen Schönheit aufblühen lassen, dass angesichts derer alle Originalklangapostel hätten zusammenzucken müssen – ungefiltert aufwühlend dann die „Pathétique“, und am nächsten Abend senkten die Philharmoniker schließlich all ihre unvergleichliche „letzte Süße in den schweren Wein“ der Dritten von Brahms, eine Abschiedssymphonie wie nur je eine.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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