Strenge und starre Fassade im Musikverein

Musikverein
Musikverein(c) ORF
  • Drucken

Das Borodin-Quartett spielte Schostakowitsch und Beethoven.

Es schien, als würde die Zugabe den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Konzerts liefern: „Tschaikowsky, Deutsches Lied“, sagte Primarius Ruben Aharonian etwas kryptisch an – eine bezaubernde Petitesse aus dem „Kinderalbum“ für Klavier op. 39, womöglich auf einer Tiroler Volksweise basierend, angesiedelt irgendwo zwischen Ländlerseligkeit und Jodelemphase. Mit staubtrockenem Humor schüttelten daraufhin die vier Herren des Borodin-Quartetts die Nummer aus ihren tadellos sitzenden Ärmeln, und das Publikum im Brahmssaal jubelte. Die in dieser Lesart enthaltene Strenge prägte den ganzen Abend – eine äußerliche Ungerührtheit, beinah Steifheit, die keineswegs immer mühelos von achtbar-routiniertem Abspulen eines wohlbekannten Notentextes zu unterscheiden war.

1945 gegründet, feiert das Borodin-Quartett heuer sein 70-Jahr-Jubiläum – wobei der Name erst mit zehnjähriger Verspätung gewählt wurde. Seinen musikhistorischen Rang verdankt es nicht zuletzt der engen Zusammenarbeit mit Schostakowitsch. In dessen 3. Quartett op. 73 machte es deutlich, was es mit der viel zitierten Maske in dessen Musik auf sich hat: Hochgeschlossen, kaltschnäuzig fast führten die Russen die vielfältigen Klangchiffren ihres Landsmannes vor, differenzierten dabei eher farblich als in der Dynamik, die merkwürdig nivelliert wirkte. Spätestens bei Beethovens so leidenschaftlichem a-Moll-Quartett op. 132 hätte man sich freilich deutlichere Blicke hinter die starre Fassade gewünscht, mehr Kontrast und Nachdruck, ein stärkeres Auskosten expressiver Wendungen. Doch auch hier herrschten Zucht und Ordnung. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.