Musikverein: Saft und Kraft für Beethoven

(c) FABRY Clemens
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Das erste Abonnementkonzert mit Herbert Blomstedt am Pult der Wiener Philharmoniker: jugendfrischer Elan par excellence.

Es wäre ganz falsch, den Bericht von diesem unvergesslichen Konzerterlebnis mit dem Dirigenten zu beginnen. Vom ungemein vitalen 88-jährigen Herbert Blomstedt zu sprechen, der nicht nur mit jenem „elastischen Schritt“ zum Pult eilt, den die Zeitungen der Monarchie laut Joseph Roth gern dem Kaiser nachrühmten, sondern der auch eine jugendliche Frische und Musizierfreude ausstrahlt, die manch deutlich Jüngerem zur Ehre gereichte. Wie Blomstedt ohne Taktstock und lebhafte Mimik die Wiener Philharmoniker immer wieder zu vollmundiger Herzhaftigkeit animiert, aber auch differenzierte Klänge erzielt. Und wie er zuletzt vom jubelnden Publikum nach Abgang des Orchesters nochmals aufs Podium zurückgerufen wird. Nein, das alles würde von der Hauptsache ablenken: dem von Liebe und Sorgfalt getragenen, völlig uneitlen Dienst am musikalischen Werk.

Reden wir also lieber über Beethoven. Über dessen Symphonien sieben und acht, die bei diesem ersten philharmonischen Abonnementkonzert der Saison inklusive aller Wiederholungen erklangen: der heimische Auftakt zu einer kleinen Tournee nach Budapest, Köln und Rom. Vor der Pause die knappe Achte, die auf engstem Raum ironische Distanz und unverblümten Ingrimm vereint, heiterste Ausgelassenheit und herbe Konflikte. Kaum jemals wurde da etwa im „Tempo di Menuetto“ der Unterschied zwischen den deftigen Eröffnungstakten und dem graziösen Thema mit so sprechendem Humor deutlich: Hier wagt sich Landvolk mit dem Adel aufs Parkett – kein Wunder, dass sie einander auf die Zehen treten und die Auftakte von Blech, Pauken und Holz, ein böser Scherz Beethovens, nie so recht zusammenfinden wollen.

Ekstatisches Finale

Im Trio tröstet darüber der romantische Wohllaut der Hörner hinweg – jener Hörner, die in beiden Werken treffsicher alle Möglichkeiten zu brillant schmetterndem Goldton nützten. Erstaunlich, wie stark dort das Totengedenken des Allegretto wirkt, wenn es dem Jubel des Stirnsatzes fast auf dem Fuße folgt; wunderbar, mit welch plastischer Dialogstruktur die Streicherparts mit den zweiten Violinen rechts klangen – in der Metronomparodie der Achten etwa, zuletzt beim aufgeputschten Hin und Her im ekstatischen Finale der Siebten. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2015)

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