Konzerthaus: Tastenzauber und Kunstaura

Symbolbild.
Symbolbild.(c) Clemens Fabry
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Christian Zacharias konfrontierte Sonaten seines Lieblings-Komponisten Scarlatti mit Ravel, Chopin und Antonio Soler.

Wie über der Tastatur schwebend, als ob er kaum die Tasten mit den Fingern berührte, bringt Christian Zacharias in Domenico Scarlattis Sonate die sogenannte Acciaccatura zur Geltung, das fast zeitgleiche Anschlagen eines Akkordes und akkordfremder Noten, die allerdings sofort wieder losgelassen werden.

Neben solch raffinierter, von Scarlatti stets auskomponierter Verzierungskunst bleibt in Zacharias' Interpretationen ausreichend Platz für Affekte, variationsreiche Dynamik und geradezu dramatische Tempo-Differenzierungen. In Maurice Ravels Sonatine in fis-Moll findet der Pianist gekonnt zu jazzigen Untertönen, die sich doch immer in impressionistische Klänge verwandeln, bevor man ihrer so recht gewahr wird. Das Finale wirkt wie ein sich zu schnell drehendes Karussell, umflort vom wehmütigen Flimmern der Erinnerung, das Zacharias mit markanten Staccati immer wieder durchbricht, ehe er das akustische Kunstwerk schattierungsreich wieder neu zusammensetzt.

Pausen setzt Zacharias effektvoll in den aufbrausenden, aber in sich meditativ-repetitiven Kompositionen Chopins, wohlüberlegte Momente, in denen sich der Solist ganz in das Stück zu versetzen und seine Atmosphäre in sich aufzunehmen scheint, um diese dann gefühlvoll, stimmig und wohlklingend zu Tone zu bringen.

Stets mit einer Prise Demut scheint Zacharias sein musikalisches Verständnis zu demonstrieren: Die Mazurka in a-moll (op. 17/4) beispielsweise kann lediglich mit Tempovariationen, ohne merkbare Betonung der Dynamik, ihre Wirkung entfalten und tiefe Empfindungen zum Ausdruck bringen.

Durch das gesamte Programm des Abends ziehen sich schwirrende chromatische Läufe, durch das sich Zacharias aber keinesfalls aus der Ruhe bringen lässt. Nüchtern legt er den Charakter der Stücke dar. Dennoch weiß er zu begeistern, lässt sich von der Komposition und dem Moment leiten und trifft dabei mitten ins Empfinden der Zuhörer.

„Arabeske“ als Zugabe

Zur Zugabe gab es, nach Schumanns „Arabeske“ – wie könnte es anders sein? – die G-Dur Sonate (K. 55) von Scarlatti, ebenjene, die Zacharias seit Beginn seiner Karriere immer wieder als Zugabe gespielt hat. Schon 1995 hat er 20 Live-Mitschnitte aus verschiedensten internationalen Konzerthäusern mit der CD „Encore“ veröffentlicht. Damit stellte er paradoxerweise auf einem reproduzierbaren Medium die Aura des Stücks wieder her, die Walter Benjamin für „das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ doch verloren sah . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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