Der Melomane: Zum Tod des Kenners Gottfried Cervenka

Der kundige Gestalter von Opernsendungen in Ö1 starb 68-jährig.

Der gewiss bestinformierte Rundfunkmoderator in Sachen Opernstimmen, Gottfried Cervenka, erlag in der Nacht auf gestern in Wien 68-jährig einem Herzinfarkt. Cervenka war so etwas wie die Stimme der Melomanen in Ö1 und gestaltete über Jahrzehnte grandiose, weil aus profundestem Wissen und Kennerschaft vokaler Gestaltungskunst gespeiste Porträtsendungen.

Es gab von den Legenden der internationalen Musiktheaterbühnen bestimmt keine Aufnahme, die er nicht kannte und deren Wert im Verhältnis zu allen Vergleichseinspielungen er nicht sofort hätte taxieren können. Im Gespräch ließ er wenig Zweifel aufkommen, dass er der oft gehörten Phrase „Früher war alles besser“ einiges abgewinnen konnte. Nur: Anders als die meisten, die ihn gern im Munde führen, vermochte Gottfried Cervenka stets zu erklären, warum der Satz wahr ist.

So war er denn auch bei Opernfachsimpeleien ein streitbarer Kämpfer für den ausdrucksvollen, doch vor allem einmal kultivierten Gesang. Schöpfen konnte er bei seinen Expertisen stets aus seinem reichen Archiv, das von Schellackplatten bis zu CDs so ziemlich alles enthielt, was je an Opernmusik und Liedgesang auf Tonträger gebannt wurde.

Die unzähligen Tonbänder mit Livemitschnitten nicht zu vergessen, die er nicht nur sammelte, sondern auch gewissenhaft auswertete. Vor allem: Cervenka fand in seiner Sammlung alles, was er suchte. Sein Kopf war die perfekteste Kartei, die sich denken lässt. Mit ihm hat die österreichische Kulturwelt einen ihrer brillantesten Köpfe verloren. Was bleibt, ist Dankbarkeit für viele, viele spannende Radiostunden. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2015)

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