Konzerthaus: Dunkle Gestalten bei Brahms, Seelenfrieden bei Liszt

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Symbolbild.(c) Clemens Fabry
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Denis Kozhukhin reüssierte bei einem anspruchsvollen Klavierabend im Mozartsaal mit Musik von Haydn bis Prokofjew.

Lang kann es nicht mehr dauern, bis dieser junge Russe auch die großen Säle füllt: Denis Kozhukhin, 1986 in Nischni Nowgorod geboren, hat das Publikum im Konzerthaus zuletzt im Oktober 2014 die Ohren spitzen lassen: Beim Prokofieff-Gastspiel des Mariinsky-Orchesters unter Valery Gergiev hat er als Solist des zyklopischen 2. Klavierkonzerts in pianistischer wie musikalischer Hinsicht tiefen Eindruck hinterlassen. Nun durfte er bei seinem ersten Wiener Klavierabend im Mozartsaal erneut sein Können beweisen – mit einem so umfangreichen wie anspruchsvollen Programm, mit dem er es weder sich selbst noch dem Publikum sonderlich leicht machte.

Zwei parallel aufgebaute und doch unterschiedliche, jedenfalls beziehungsreiche Konzerthälften waren da zu erleben, die zusammen einen Bogen von der Wiener Klassik bis zur klassischen russischen Moderne spannten: Auf jeweils eine Haydn-Sonate folgten mehrgliedrige Werke des mittleren und späten 19. Jahrhunderts, nämlich Liszts „Bénédiction de dieu dans la solitude“ (aus den „Harmonies poétiques et religieuses“) sowie „Prélude, chorale et fugue“ von César Franck; den Schluss bildeten vor der Pause die kompletten Fantasien op. 116 von Brahms, Prokofieffs 7. Sonate war dann als Konzertfinale zu hören. Kozhukhin erwies sich dabei als Meister des Ausgleichs. Die Wiederholungen bei Haydn nützte er dazu, dem Material neue Nuancen abzugewinnen, hielt zwischen Expression und rhythmischer Strenge schön die Waage, phrasierte delikat, ohne die Konturen verschwimmen zu lassen. Liszts große naturmystische Szene der „Bénédiction“ schlüsselte er farbenreich, mit fein dosiertem Rubato auf.

Bedeutungsschwere Chromatik

Dazu ist Kozhukhin ein fesselnder Erzähler: In Brahms' Fantasien, diesen vielfach psychologisch dunklen, zerklüfteten Gegenstücken zum rauschend ausgebreiteten Seelenfrieden bei Liszt, schienen auf plastische Weise Irrlichter, Kobolde und schattenhafte Gestalten ihr Unwesen zu treiben – ein nächtlicher Reigen, der sich um das E-Dur-Intermezzo (Adagio) gruppierte, das er als lyrisches Herzstück mit innigem Legato ausstattete. Danach bereitete Francks bedeutungsschwere polyphone Chromatik die herbe, gleichsam rücksichtslose Linienführung bei Prokofieff vor; der berüchtigte Finalsatz klang niemals grell gehämmert, sondern voll dunkler Klanggewalt. Jubel – und poetisch zurückgenommene Zugaben von Scarlatti, Soler und Bach/Siloti.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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