Osterfestspiele Salzburg: Liebe, Fehden, Lebenskämpfe

Christian Thielemann.
Christian Thielemann.(c) APA/BARBARA GINDL
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Thielemann und die Staatskapelle Dresden spielten Tschaikowski, Liszt und Beethovens Tripelkonzert.

Mehr Shakespeare, diesmal komponiert von Tschaikowski, und mehr Beethoven: Das zweite Orchesterkonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden, zugleich das erste unter Christian Thielemann, setzte die beiden Programmlinien der Salzburger Osterfestspiele fort – und zwar im Gegensatz zum Vorabend gottlob wieder in der alten deutschen Sitzordnung mit den zweiten Violinen rechts. Nicht bloß Klassik, sondern gerade auch große romantische Tondichtungen wie Tschaikowskis „Romeo und Julia“ oder Liszts „Préludes“ lassen sich in ihrem vielfach kämpferischen Wechselspiel der Motive überhaupt nur so, nämlich von beiden Seiten aufeinander antwortend, sinnvoll darstellen.

Nach den dunklen Bläserchorälen in der Einleitung ließ Thielemann die Montagues und Capulets mit Energie, aber zugleich großer dynamischer Sorgfalt und rhythmischem Drive aufeinandertreffen – und lief durch straffe Tempodramaturgie und klare Balance auch beim schön aufblühenden Liebesthema nicht Gefahr, damit in Hollywood zu landen. Als Finale: Liszt, von Thielemann spontan angestachelt, in den wuchtigen Fanfaren vielleicht klanglich nicht ganz so ausgefeilt wie in den pastoralen und kämpferischen Abschnitten, aber von zupackender Größe.

Vor der Pause aber Beethovens Tripelkonzert. Gewiss, der 72-jährige Lynn Harrell mag nicht mehr über den schlackenlosesten Ton verfügen. Aber die Schlüsselrolle, die der Komponist dem Violoncello hier zuweist, die kann er mühelos ausfüllen. Ganz Grandseigneur, ließ er die Themen in edlem Pianissimo entstehen, unprätentiös, scheinbar absichtslos und gerade dadurch so prägnant. Die Pointen, etwa die grummelnden Vorschlagsnoten im Finale, serviert er extratrocken. Das machte seinen Vortrag zu einer Lehrstunde sinnvollen Musizierens.

Anregende solistische Differenzen

Dagegen spürt man bei Anne-Sophie Mutter einen ständigen starken Interpretationswillen, einen Drang zur selbstbewussten Anverwandlung des Notentextes, der sie manchmal in etwas primadonnenhafte Gefilde leitet. Fein aber, wie ätherisch sie etwa das Finalthema von Harrell übernahm – über den zart-duftigen Klängen, auf die Thielemann für diese Passage die Staatskapelle eingeschworen hatte. Yefim Bronfman gab den Fels in der Brandung, verankerte den Klavierpart mit teils klangmächtigen Bassakkorden und -figurationen im rhythmischen Fluss. Kleine Spannungen schienen bei diesem Trio von Individualisten unvermeidlich, aber zugleich war Spannung im Großen garantiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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