Das ewige Staunen über verschlungene Pfade der Moderne

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Themenbild(c) Clemens Fabry
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Das Küchlquartett diskutierte wieder einmal Schönbergs Quartett Nr. II.

Mehr als 100 Jahre sind schon vergangen seit dem Uraufführungsskandal um das Zweite Streichquartett von Arnold Schönberg. Immerhin: Trotz Störaktionen konnten das philharmonische Rosé Quartett und Sopranistin Marie Gutheil-Schoder damals bis zum gemeinsamen Schlussakkord durchhalten.

Heute stört niemand mehr, wenn dasselbe Stück vom heutigen philharmonischen Streichquartett unter Rainer Küchls Führung am selben Ort, im Brahmssaal des Musikvereins, erklingt, aber das Publikum scheint immer noch zu staunen über die verschlungenen Pfade der immer noch sogenannten Neuen Musik – und die Musiker, so scheint es, staunen auch, was ihnen der Komponist so alles zumutet.

Doch lösten sich auch komplexeste Verwicklungen, die man so, wie sie erklingen, gar nicht notieren könnte, in diesem Werk unter wie Wegmarken gesetzten Fermaten in Dur- oder Moll-Akkorde auf – wie sich zuletzt zu Worten von Stefan George der ganze musikalische Kosmos unter einem Windhauch „von anderen planeten“ aufzulösen scheint: Camilla Nylund überglänzte das Geschehen mit leuchtend schönem Sopran und wölbte die Kantilenen bis hinauf zum hohen C.

In der klug disponierten ersten Programmhälfte dieses Abends waren eingangs schon Auflösungserscheinungen von Hugo Wolfs Gnaden zu erleben: In der „italienischen Serenade“ schwirrt und schnattert und säuselt es frühlingshaft leicht; die Klänge sollen sich programmgemäß geradezu entmaterialisieren. Nur dass der Hörer bei Wolf noch recht genau mitbekommt, ob sie jeweils in die vorgesehene Richtung entschweben. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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