Symposion: Ist die Zeit reif für die mystische Vermählung?

(c) BilderBox
  • Drucken

Als Vorbereitung für die Wiederaufführung von Gottfried von Einems „Jesu Hochzeit“ beim Carinthischen Sommer beleuchtete ein Symposion im Wiener Musikverein die Umstände des einstigen Skandals.

Sie sei sich nicht sicher, ob man überhaupt davon sprechen könne, dass Gottfried von Einems letzte große Oper, „Jesu Hochzeit“, je ernsthaft zur Diskussion gestellt worden sei, meinte Regisseurin Nicola Raab anlässlich eines Symposions im Wiener Musikverein. Zwar ist über wenige Werke von Einems so viel geredet worden wie über dieses. Aber vorurteilsfrei zugehört, zugeschaut hat kaum jemand, als die Uraufführung im Theater an der Wien stattfand.

Das war anlässlich der Wiener Festwochen 1980 und ging als eine der großen Theaterskandale der Stadt in die Annalen ein. Der Versuch des Niedersächsischen Staatstheaters Hannover, wenige Monate später das Werk nachzuspielen, wurde noch unter den Folgen der Nachbeben des Wiener Skandals begraben – obwohl auch in Hannover eine illustre Besetzung aufgeboten war: Immerhin sang die junge Deborah Polaski, später wichtige Bayreuther Wagner-Heroine, die Tödin. In Wien war es Karan Armstrong, Eberhard Waechter sang den Josef. Er war zuvor schon Einems Danton und – anlässlich der umjubelten Uraufführung – der Alfred Ill an der Seite von Christa Ludwig im „Besuch der alten Dame“.

Papierfetzen statt Blumen

Prominente Besetzungen waren bei Einem-Premieren üblich. Noch Mitte der Siebzigerjahre hoben Brigitte Fassbaender, Anja Silja und Bernd Weikl unter Christoph von Dohnányis Leitung „Kabale und Liebe“ aus der Taufe. Damals überwogen freilich bereits die Stimmen, die Gottfried von Einems Musik in ihrer ungenierten Dur-Moll-Tonalität als unzeitgemäß und allzu retrospektiv empfanden.

Vergleichbar Kritisches fand sich in den Besprechungen der Uraufführung von „Jesu Hochzeit“ lediglich als Fußnote. Geschrieben und gestritten wurde über den Inhalt von Lotte Ingrischs Libretto. Vornehmlich von katholischen Aktionisten, die vermutlich den Text gar nicht gelesen hatten und prinzipiell gegen eine Veroperung von Motiven, Gedanken und Handlungen eingestellt waren, die ihnen als heilig galten.

Die Begleitumstände der ersten Aufführung, die trotz intensiver Bemühungen bestimmter Gruppen nicht zu verhindern war, sind berüchtigt. Vor dem Theater fand eine Lichterprozession statt, wurde Rosenkranz gebetet, im Haus störten Zwischenrufer die Vorstellungen und warfen sogar Stinkbomben. Zuletzt gab es zwar auch lang anhaltenden Applaus, doch irrte Lotte Ingrisch, als sie „im ersten Moment“ dachte: „Jö, da werden Blumen geworfen.“ Es waren die Papierfetzen zerrissener Druckausgaben ihres Librettos, die den Autoren und Darstellern vor dem Schlussvorhang um die Ohren flogen.

36 Jahre mussten vergehen, bis sich ein Veranstalter daran wagte, „Jesu Hochzeit“ anzukündigen. Beim Carinthischen Sommer will man es erneut versuchen. Wie schon vor der Uraufführung gab es auch diesmal ein vorbereitendes Symposion. Doch fehlen diesmal die Schmähredner. Der langjährige Vorstand des Instituts für Religionswissenschaften der Universität Wien, Johannes Figl, wusste auch zu erklären, warum sich Wogen geglättet haben und unsere Zeit einem solchen Opernmysterium offener gegenübersteht: Die Säkularisierung sei weiter vorangeschritten, die Freiheit der Kunst ein geachtetes Gut – und die Nachwehen des Zweiten Vatikanischen Konzils seien vorüber.

Religiös motivierte Konflikte im beginnenden 21. Jahrhundert hätten ganz andere Dimensionen angenommen und seien im Zuge einer Opernaufführung nicht mehr zu erwarten. Thomas Leibnitz, Direktor der Musiksammlung der österreichischen Nationalbibliothek, konnte daher im Steinernen Saal des Musikvereins die Aspekte der Rezeption von „Jesu Hochzeit“ und den legendären Theaterskandal aus historischer Perspektive betrachten, der Theologe und Psychotherapeut Arnold Mettnitzer ungestört über die „biblische Rede von der Liebe“ und die erotischen Konnotationen geistlicher Spiele – also auch der Vorgänge um die mystische Vermählung von Christus und der Tödin in „Jesu Hochzeit“ – philosophieren.

Der weibliche Tod

Dass der Tod in allen romanischen und manch anderen Sprachen weiblich ist und sich auch in der Ikonografie häufig in Frauengestalt zeigt, haben schon anno 1980 einige nüchterne Betrachter anzumerken gewusst.
Bleibt abzuwarten, wie viel Provokationspotenzial heutzutage in Gottfried von Einems Musik steckt, von der damals noch niemand ahnen konnte, dass eine spätere Generation sie keineswegs als rückwärtsgewandt empfinden muss, sondern auch als frühes Signal einer postmodernen Ästhetik empfinden könnte. Nachzuprüfen ab 6. August im Stiftshof von Ossiach.

Carinthischer Sommer: Eröffnung am 14. Juli am Ossiacher See mit Carinthischer Wassermusik von Renald Deppe (mit Kärntner Chören und dem Kärntner Blasmusikverband); Elisabeth Leonskaja am 20. Juli in der Stiftskirche Ossiach; „Jesu Hochzeit“ (Dirigent: Jonathan Stockhammer, Regie: Nicola Raab) am 6., 9., 10., 12. und 13. August. Info: www.carinthischersommer.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.