Farbe, Rhythmus und Schuberts ureigene Welt

Krystian Zimerman
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Krystian Zimerman konfrontierte im Musikverein die beiden letzten Schubert-Sonaten mit Szymanowski.

Natürlich haben Mazurken von Karol Szymanowski nichts mit Musik von Franz Schubert zu tun. Dennoch war es spannend, zwischen den Aufführungen der großen A-Dur- und der B-Dur-Sonate vier Nummern aus dem op. 50 des polnischen Meisters zu hören. Krystian Zimerman demonstrierte da auf tauglichem Terrain seine Stärken: koloristisch-vielgestaltige Anschlagskultur und einen Sinn für rhythmische Prägnanz einzelner Stimmen auch innerhalb pastellig-verschleierter harmonischer Flächen.

Der Klangregisseur hat sogar für paradoxe Vorschriften wie das für den immer wiederkehrenden Anfangston des Finales von D 960 vorgeschriebene „fortepiano“ – auf dem Klavier eigentlich unrealisierbar – den nötigen Kunstgriff parat. Im Übrigen liebt er den Aufbau durch reichlich Pedalgebrauch generierter Farbflächen, vernebelt aber die tonale Struktur dabei nicht: Bei jedem strukturell wichtigen Harmoniewechsel hält die Pedalisierung mit.

Gefühl gegen Hustenreiz

Statt dynamischer sucht Zimerman eher subtile artikulatorische Differenzierung. Besonders ätherische Pianissimi sind von ihm nicht einmal in einem weltentrückten Satz wie dem Andante sostenuto der B-Dur-Sonate zu erwarten. Viel eher bleibt dieser Interpret auch in Passagen, die zu emotionalen Ruhepunkten einzuladen scheinen, im Takt; da ist er oft bewundernswert rigoros.

Auf den Gefühlsgehalt bestimmter Momente der Einkehr oder des Umbruchs muss sich der Hörer schon selbst seinen Reim machen – sofern er nicht, wie so viele Besucher des Zyklus „Große Solisten“, mit der Verkündigung von Erkältungszuständen beschäftigt – oder von den immer rücksichtsloser werdenden Hustern am Hören behindert – ist.

Zimerman behielt bei alledem die Nerven. Wer es ihm gleichtat, erlebte vielleicht sogar die zerklüfteten Formenwelten des Andantinos aus D 959 als jene erschütternde musikhistorische Ungeheuerlichkeit, die sie darstellen, auch wenn der Pianist eher zu wenig als zu viel dazu tut, Musik in ihrer expressiven Qualität erfassbar zu machen. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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