Nach und nach interessiert sich Wien für Dogen

Simon Boccanegra
Simon BoccanegraWiener Staatsoper
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Verdi-Schwerpunkt in der Staatsoper: Wie „Simon Boccanegra“ vom Ladenhüter zum Zugstück werden konnte.

„Simon Boccanegra“ galt Verdi selbst als Sorgenkind, erfuhr tiefgreifende Umarbeitungen – und wurde an einem Verdi-affinen Haus wie der Wiener Staatsoper lang nicht heimisch. Die immerhin von Clemens Krauss betreute Produktion in den Dreißigerjahren brachte es auf 22 Aufführungen, nur 18 Reprisen schaffte gar ein Weltklasse-Regisseur wie Luchino Visconti in den frühen Siebzigerjahren. Giorgio Strehlers aus Mailand importierte Inszenierung erlebte immerhin 32 Wiederholungen. Aber erst mit der Übernahme von Peter Steins Osterfestspiel-Inszenierung (2002) wendete sich das Blatt.

Jüngst war, ausverkauft, die 74. Aufführung dieser Produktion zu erleben. In einem solchen Werk für große Charakterdarsteller ist angesichts der abgehandelten politischen Intrigen nicht durchwegs vorrangig, wie schön oder makellos die Stimmen geführt werden. Ferruccio Furlanettos Fiesco ist nach wie vor so furcht- wie ehrfurchtgebietend, Adam Plachetkas intriganter Paolo ist mit allen Wassern gewaschen, auch mit denen belcanteskerer Wortmeldungen, wo es darauf ankommt.

Vorrang hat immer die dramaturgische Wahrhaftigkeit: Dmitri Hvorostovsky, der musikalisch eher auf Empfindsamkeit setzt, verleiht der imposanten Erscheinung in der Gerichtsszene das für die Absicherung der Regentschaft nötige Charisma. Bewegend freilich die Dialoge mit der wiedergefundenen Tochter, der Barbara Frittoli nach anfänglichen Unebenheiten doch mittels behutsam-sensibler Phrasen nobles Profil verleiht.

Francesco Melis Gabriele Adorno wiederum schwört Liebe wie Vergeltung mit tenoralen Stentortönen. Sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Zuweilen findet er ja auch zu zurückgenommenen Pianissimi – dass zwischendrin im dynamischen Band eine Lücke klafft, tut dem Theater-Effekt keinen Abbruch. Sorin Coliban als Spielmacher Pietro, Carlos Osuna und Lydia Rathkolb ergänzen das Ensemble tadellos, Marco Armiliato sorgt nach „Traviata“ und „Carlos“ auch hier animiert für Tempo. Und die Inszenierung „stimmt“ immer noch, stammt sie doch von einem Regisseur, der sich immer vornimmt, genau jene Geschichte zu erzählen, die von den Komponisten vertont wurde. Keine Selbstverständlichkeit, wie wir wissen.

(Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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