Alte Damen, staubiger Raum: Neue Musik!

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Peter Burwik und sein Ensemble XX. Jahrhundert brachten im Radiokulturhaus originelle Novitäten.

An lebendigen und qualitätsvollen Auseinandersetzungen mit Musik unserer Zeit herrscht in Wien gottlob kein Mangel, auch abseits der großen Häuser und Festivals. So konzertierte am Montag im Radiokulturhaus ein Klangkörper, der beträchtlich zur Vielfalt in der Musikstadt beiträgt: Das Ensemble XX. Jahrhundert („exxj“), vorwiegend jung und weiblich besetzt, agierte mit Delikatesse und Verve – wie gewohnt unter der Leitung seines Gründers Peter Burwik. einem profunden Kenner der Gegenwartskunst. Wenige Tage nach deren Uraufführung beim Salzburger „Aspekte“-Festival brachte er zwei neue Werke nach Wien, in denen ihre Schöpfer sich auf eigene ältere Arbeiten beziehen.

Subtil: Julia Purgina

So kommt Julia Purgina in ihrer neutral benannten „Kammermusik IIa“ auf ihr Quartett „Les Petites Vieilles“ (nach Baudelaire) zurück, auf die kleinen alten Damen, die gebeugt und verschrumpelt durch die Stadt trippeln. Flatternde Arabesken, ihre geräuschdurchsetzten, zarten Schatten oder filigrane Atemklänge verdichten sich bei keineswegs meditativem Tempo zu manchmal statischen, manchmal dynamischen Abschnitten und wechselnden, bei aller zarten Diskretion doch reizvoll-subtilen Stimmungen.

Auch Christian Ofenbauer schaut mit verändertem Blick retour: „Vergessenes zimmer/staubiger raum“ ist aber mehr als ein Nachhall auf die kleiner besetzten und längeren Werkinkarnationen seiner „Zerstörung des Zimmers/der Zeit“, und von einem staubtrockenen Stück, den der neue Titel suggerieren mag, kann keine Rede sein, im Gegenteil. Das Stück wirkt sogar – nun ja, aufgeräumt, und erweckt den Eindruck einer vergnüglichen Reminiszenz. Es beginnt mit einem überlagerten Stottern des Ensembles, aus einem Ton werden zwei und mehr, überraschende Einschnitte scheinen Klangobjekte voneinander zu scheiden, die teils auratischen Farbenreichtum entwickeln. In einer letzten Wende rotten sich die Ereignisse zu einem homogenen Rhythmus zusammen, der vom Staccato auch noch ins Legato übergeht und erlischt. Wurde das Interieur geordnet? Oder hat sich vielmehr so viel Staub angesammelt, dass alle Konturen unter einer Decke verschwunden sind? Diese Mehrdeutigkeit macht den augenzwinkernden Reiz aus.

Eingefasst wurden die Novitäten von Liza Lims schillernd-trillerndem „The Heart's Ear“, dem gestisch-melodischen Nachdruck von Klaus Agers „Breccia IV“ und „La chambre des cartes“, in dem Tristan Murail die Klangkaskaden des Spektralismus zur Opulenz steigert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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