Gaudeamus - mit Feuerwerk

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Die traditionsreiche Klangwolke an der Donaulände feierte heuer die Linzer Universität. Davor präsentierte die Ars Electronica ihre fliegenden Objekte.

Manchmal ist auch die Kulturwelt unschuldiger, als wir Kritiker glauben. Etwa bei der heurigen, dem 50-jährigen Bestehen der Johannes-Kepler-Universität gewidmeten Linzer Klangwolke. Da sah man in den Videos immer wieder Autos mit dem Spruch „100 Jahre BMW“. Schleichwerbung? Ein besonders aufdringlicher Sponsor?

Mitnichten. Das Team des Berliner Medienkünstlers Salvatore Vanasco hatte einfach zufällig in Linz eine Autoparade gefilmt. Mit noch größerer Wahrscheinlichkeit hätten ihm – im Herzen der oberösterreichischen Landeshauptstadt, wie der Repräsentant der sehr wohl als Sponsor aktiven Sparkasse so schön sagte – Sprüche über ein anderes österreichisches Bundesland vor die Kamera kommen können: Denn bis Samstag fand in Linz ein Fest unter dem Motto „Steirisch Herbst'ln“ statt: kein Ableger des steirischen Kulturfestivals, sondern schlicht eine Gelegenheit, massenweise zusammenzukommen.

Das taten sehr viele Linzer am Samstag gleich anschließend ebenso bei der Klangwolke, die es auch schon seit 31 Jahren gibt und die ungebrochen beliebt ist: Über 100.000 sind an die Donaulände gekommen, wo zunächst die Ars Electronica ihr Geschwader aus hundert Spaxels in bunten Formationen durch den Abendhimmel hat fliegen lassen. Spaxels sind eigentlich Drohnen, das klingt nur so bedrohlich nach Krieg und/oder Überwachung, und mit beiden haben die flotten Insektoiden der Ars Electronica nichts zu tun. Sie sollen nur „sprachlos machen“, wie uns vor dem Flug erklärt wurde. Zumindest waren ihre Schwärme hübsch anzusehen; ob eine Stars-on-45-Version von Beethovens Fünfter in Kombination mit derbem Disco eine geschmackssichere Begleitung für die Spaxel-Manöver war, darüber lässt sich streiten.

FM Einheit: subtile Musik

Erfreulich wenig kitschig klang die eigentliche Klangwolke: FM Einheit, von den Einstürzenden Neubauten als Freund knirschenden Betons und krachenden Metalls bekannt, leitete eine Band, die bald vehement, bald zart, jene langatmige Musik spielte, die man einst – weil sie in den Siebzigerjahren von deutschen Bands perfektioniert wurde – Krautrock und später Postrock nannte. Besonders schön: wie am Schluss, als ein Chor „Gaudeamus igitur“ sang, eine elektrische Gitarre darüber die Melodie des alten Studentenlieds variierte, innig, nachdenklich, fast melancholisch.

Das passte gut zum Sturm der Bilder und Worte, der davor über das Donauufer wehte und – wie gewohnt von vergangenen Klangwolken – eher assoziativ als konsistent wirkte: Ausschnitte aus der Gründungsrede des damaligen Landeshauptmanns Gleißner („den Professoren zur Ehre, den Jugend zum Heile, unserem Vaterland zum Wohle“), die Ansprache von J. F. Kennedy an der Freien Universität Berlin 1963, Szenen aus der Forschung, aber auch von Revolutionen und Katastrophen, von Kindern vorgetragene Passagen aus Dürrenmatts „Physikern“ („Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken“), Feuer und Laser, Turner und Tänzer, ein Mensch mit Düsenantrieb. Am direktesten wirkte eine Passage über die Unterdrückung kritischer Denker in der Türkei, Rektor Meinhard Lukas rief zur Solidarität mit der inhaftierten Schriftstellerin Asli Erdoğan: „Möge ihre Poesie stärker sein als der diffuse Hass in den Palästen der Macht.“

Vivat academia, vivant professores. Abschließend Feuerwerk. Gute Klangwolke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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