Schönberg, Boulez, Beethoven: Neutöner unter sich

Quatuor Diotima: Schönberg, Beethoven, Boulez 1
Quatuor Diotima: Schönberg, Beethoven, Boulez 1(c) Verena Chen - Wien modern
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Wien modern: Beginn der Konzertserie von Quatuor Diotima.

„Unverständlich, wie Chinesisch“, fand ein zeitgenössischer Rezensent die „Große Fuge“ aus Beethovens berüchtigten späten Streichquartetten, in der „die Instrumente in den Regionen des Süd- und Nordpols mit ungeheuern Schwierigkeiten zu kämpfen“ hätten. Etwa 80 Jahre später nahm das Publikum vor Schönbergs 1. Streichquartett op. 7 Reißaus, einer sogar mit Bedacht durch den Notausgang. Das Stück sei „ein einziger langgezogener Frevel“, schimpfte der Theoretiker Heinrich Schenker: „Ohne Gefühl für Tonart, Motiv, Maß, nur so einfach lumpig vor sich hin . . .“ Gustav Mahlers Auftreten gegen die erbosten Zischer half wenig. Wien war auch früher schon modern – und auch früher war manch einer überfordert von den Expeditionen in unerhörtes Neuland.

Nach Birtwistle (hintereinander) und Schostakowitsch (gleichzeitig) blickt das Festival Wien modern nun auf alle Schönberg-Quartette zurück – und nennt die noch bis Samstag laufende Konzertserie unnötig hochtrabend eine Rekonstruktion jener beziehungsreichen Beethoven-Schönberg-Konzerte, die Schönberg 1937 rund um die Uraufführung seines 4. Quartetts angeregt hat. Jetzt kommt das notorisch anspruchsvolle „Livre pour quatuor“ von Pierre Boulez dazu, so sind nun Neutöner aus drei Epochen beisammen. Faszinierend, wie das Quatuor Diotima gerade bei Boulez' seriellem Kaleidoskop mit kühler Reinheit den Eindruck Klang gewordener, ungreifbarer Lichtreflexe hervorrief. Dagegen fielen auf Beethovens Opus 127 etliche ungewollte Schatten: Molluskenhafte Rhythmik, Schwächen im Zusammenspiel und der Hang des Primarius zu manierierten Portamenti ließen das Stück streckenweise, wenn schon nicht unverständlich, so doch merkwürdig radebrechend tönen. Deutlich klarer und profilierter artikuliert dann Schönbergs d-Moll-Quartett, die nötige erzählerische Spannung inklusive: Das weckt Neugier auf die Fortsetzung. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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