Kammeroper: Der Herrscher mit dem Teddybär

Die Wiener Kammeroper eröffnete mit zwei Offenbach-Raritäten.

Wenn schon nicht aus den Fugen geraten, so wenigstens auf den Kopf gestellt. So will Regisseur Waut Koeken, von dem auch die aktualisierten Sujets der beiden Stücke stammen, Jacques Offenbachs selten gespielte Einakter „Lile de Tulipatan“ und „Ba-ta-clan“ offensichtlich verstanden wissen. Deutlich wird das schon durch Duncan Haylers Bühnenbild: Der Zuschauerraum der Kammeroper ist auf den Kopf gestellt, nach hinten verjüngt – auch gleich ein Spiegel für die Besucher.

Sonst hält es die Inszenierung mit dem im Programmheft zitierten Siegfried Kracauer: „Offenbach ist ein Spottvogel. Seine Spottlieder entheiligen jedoch nicht, wie ihm der Unverstand nachgesagt hat, heilige Einrichtungen, Ämter und Funktionen, sondern machen sich nur über solche Dinge lustig, die sich in den Schein der Heiligkeit hüllen.“ Die Opera-bouffe „Lile de Tulipatan“ konfrontiert einen, 473 Jahre vor Erfindung des Spucknapfs, mit Geschlechterverwechslung zweier Jugendlicher. Der Sohn wird als Mädchen erzogen, um den Militärdienst zu meiden, die 23.(!)Tochter des tölpelhaften Herzogs von Tulipatan als Sohn, um die Thronfolge zu retten. In einer knappen Stunde löst sich alles von selbst: Die beiden erkennen ihr wahres Geschlecht und werden verheiratet.

Mehr Gags als Grundsätzliches

In der Chinoiserie musicale „Ba-ta-clan“ wird das Ritual internationaler Diplomatie aufs Korn genommen, wieder mit einem unfähigen Herrscher: Fe-ni-han kann nach seiner Absetzung durch Verschwörer mit den französischen Landsleuten unter seinen Untertanen die lang ersehnte Heimreise aus seinem surrealistischen Königreich Ch-i-no-or antreten.

Viele Möglichkeiten für Gags werden genutzt: Die Übertitel in „Ba-ta-clan“ sind teils chinesisch, der Herrscher erscheint mit Teddybär und Goldfischglas. Aber es geht auch um Grundsätzliches: Selbstbetrug zum eigenen Vorteil oder das Leugnen nationaler Identität. Im Haus am Fleischmarkt dominiert weniger dieser kritische Ansatz als das – vom Orchester nicht selten zu lautstark begleitete – spielerische Element. Darin, mehr als bei Soloaufgaben, fühlt sich das (an dem Abend zumeist in zwei Rollen auftretende) Ensemble – Benjamin Prins, Andreas Jankowitsch, Dan Chamandy, Jeroen de Vaal, Milena Gurova, Lisa-Maria Jank – sichtlich wohl. dob

Bis 7. November(Frz. mit Übertiteln).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2009)

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