Tschaikowsky, virtuos und kultiviert

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Die Wiener Symphoniker und Yefim Bronfman mit rarem und populärem Tschaikowsky im Konzerthaus.

„Schlecht, trivial, vulgär“: So vernichtend urteilte der bedeutende Pianist Nikolai Rubinstein über Tschaikowskys zweites Klavierkonzert. Und das, obwohl dieser es ihm gewidmet hatte. Bis heute ist dieses G-Dur-Konzert nicht annähernd so bekannt wie das erste in b-Moll. Weil Rubinstein recht hatte? Gewiss nicht. Es ist nur um einiges weniger eingängig als das erste Klavierkonzert, übertrifft dieses aber noch in den Anforderungen für den Solisten.

Verständlich, dass einige Pianisten sich eine einfachere Version herstellten. Etwa Rachmaninows Cousin Alexander Siloti, der die ersten beiden Sätze des Konzerts erheblich einkürzte. Das aber ist Geschichte. Längst haben Virtuosen wieder Geschmack am gesamten Werk gefunden. Dies trotz oder wegen seiner zahlreichen, beinahe unspielbaren Passagen, die selbst einen der großen Pianisten unserer Tage, Yefim Bronfman, zuweilen bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten fordern. Es genügt nicht, den manuellen Anforderungen zu trotzen, es bedarf auch differenzierter Klangkultur und rhythmischen Charmes, erst recht im balletthaft-spritzigen Finale.

Drei Solisten im zweiten Satz

Gelingt dies, dann versteht man, weshalb Tschaikowsky diesem Konzert den Primat vor seinem populären ersten eingeräumt hat. Dann entfaltet sich nicht nur sein besonderer melodischer Charme, sondern wird auch sein originelles Konzept klar erkennbar. Schließlich dominiert in diesem G-Dur-Konzert nicht nur ein Solist. Im kantilenenreichen zweiten Satz, einem Andante non troppo, gesellen sich noch eine Solovioline und ein Solocello dazu. Deswegen wird dieses G-Dur-Konzert auch als Tschaikowskys „Tripelkonzert“ angesprochen. Tatsächlich haben die beiden Streichersolisten aus dem Orchester Wesentliches zu sagen, wie bei dieser Aufführung der Solocellist der Wiener Symphoniker, Christoph Stradner, und die Gastkonzertmeisterin Sophie Heinrich im Verein mit dem erwartungsgemäß brillanten Yefim Bronfman überzeugend vorgeführt haben.

Weihnachtlicher „Nussknacker“

Auch der zweite Programmpunkt dieses Symphoniker-Konzerts galt Tschaikowsky– weil es als Weihnachtskonzert firmierte, dem zweiten Akt aus seinem zur Weihnachtszeit spielenden „Nussknacker“-Ballett. Unbestritten entfaltet diese Meisterpartitur eine noch größere Wirkung mit Ballett. Im Konzertsaal kann man sich davon losgelöst ganz auf ihren musikalischen Gehalt konzentrieren. Man braucht nicht auf das Bühnengeschehen Rücksicht nehmen, kann die Charakteristika der einzelnen, unterschiedlich konzipierten Abschnitte deutlicher herausarbeiten, wie es die bestens studierten Wiener Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten, Philippe Jordan, mit ihrer kultiviert-narrativen Lesart demonstrierten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2016)

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