Raymondas stilvolle Rückkehr nach Wien

Marius Petipas „Raymonda“ an der Staatsoper: ein schmucker Klassiker mit vielen Glanzpunkten.

Es ist das letzte große Ballett, das Marius Petipa zu einem von insgesamt nur drei Ballettstücken Alexander Glasunows choreografiert hat. Ein Meisterwerk der klassischen Balletttradition, das jene erhabene Eleganz ausstrahlt, die das Publikum noch immer zugleich beeindruckt und bezaubert: „Raymonda“ ist zurück an der Wiener Staatsoper. Kaum öffnet sich der Vorhang, ist man zurückversetzt ins 13. Jahrhundert. Vom Schnürboden hängende voluminöse Stoffbahnen erzählen vom Interieur damaliger Schlösser, die Kerzen tauchen die Szenerie in schwaches Licht, die Damen tragen Kleider aus schweren Stoffen, ihre Männer sind in den Heiligen Krieg gezogen. Während die Frauen auf die Rückkehr ihrer Ritter warten, sammeln sich vor den Toren die Soldaten des Sarazenen-Fürsten Abderachman. Es ist also eine eher ungemütliche Atmosphäre, in der die Dienerinnen des edlen Fräuleins emsig an deren Brautkleid nähen . . .

Doch Raymonda und ihre Freunde wollen sich die gute Laune nicht verderben lassen. Nina Tonoli (Clémence) und Natascha Mair (Henriette), Béranger (Richard Szabó) und Bernard (Masayu Kimoto) nehmen Raymonda in die Mitte, heben sie hoch, schaukeln sie auf verschränkten Armen – es ist ein Bild unbekümmerter Lebensfreude. Die vier gehören mit ihren effektvollen Nummern zu den Glanzpunkten des Abends.

Ein erst 20-jähriger Ritter. Die Raymonda Nina Polákovás umweht ein Hauch von Abgeklärtheit. Das ist kein naives Fräulein, sondern eine kluge Frau, die sich gegen die Avancen Abderachmans zunächst recht diplomatisch, dann aber durchaus energisch zur Wehr setzt (auch wenn sie – das Libretto will es so – nur durch ihren Ritter befreit werden kann). Poláková meistert die schwierigen Passagen, die Glasunows Musik und Petipas Choreografie von der Primaballerina fordern, bravourös. Sie ist die erfahrene, versierte Tänzerin, die Ballettdirektor Manuel Legris einem seiner Nachwuchstalente zur Seite gestellt hat. Der 20-jährige Jakob Feyferlik macht als Ritter Jean de Brienne trotz anfänglicher Nervosität eine tadellose Figur. Wie das gesamte Ensemble steigerte er sich im Verlauf des Abends bis zum effektvollen Finale. Das Orchester unter Kevin Rhodes unterstützt mit viel Gefühl für das (hier besonders heikle) Tempo.

1898 am St. Petersburger Mariinski-Theater uraufgeführt, hat „Raymonda“ seine internationale Bedeutung erst durch Rudolf Nurejew erfahren, dessen Choreografie nun in Wien neu einstudiert wurde. Seit 1999 ist das Stück an der Staatsoper nicht mehr gespielt worden. Nur in Ausschnitten bei Ballettgalas: Viele Elemente lassen sich aus der Handlung herauslösen, denn Petipa fordert von den Tänzern immer wieder allein, zu zweit oder in Gruppen ihr Können mit Walzern, Adagios, in einem Marsch oder Galopp unter Beweis zu stellen. Besonders beklatscht wurde Davide Dato, der als unheimlicher, aber charismatischer Abderachman überzeugte. Die Ausstattung gefällt (Nicholas Georgiadis): Jean de Brienne und Abderachman reiten auf großen Rössern zum Duell, die Ballerinen stecken in traumhaften Tutus – die Braut trägt zum Finale Gold.

Ein schmucker Klassiker ist wieder im Repertoire.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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