Konzerthaus: Nackte Klänge statt tönender Gestalten

Daniel Harding.
Daniel Harding. (c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Saisoneröffnung. Die Wiener Philharmoniker unter Daniel Harding deuteten Mahlers Sechste nicht als Seelendrama, sondern streng abstrakt.

Niederschmetternd, so wirken die stärksten Aufführungen von Mahlers gewaltiger 6. Symphonie, der sogenannten „Tragischen“. Daniel Harding jedoch bringt das Werk, bewusst oder unbewusst, anders zuwege – fast möchte man sagen: zur Strecke. Nach Gastspielen in Grafenegg, London und Luzern waren die Philharmoniker kurz heimgekehrt und eröffneten nun die 105. Saison des Konzerthauses mit ihrer Mahler-Lesart, tags darauf ging es nach Köln; bei einigen Konzerten dieser Tournee wurde die Sechste auch noch von einer Suite aus „Pelléas et Mélisande“ einbegleitet: eine Art Probelauf für die Staatsopernaufführungen von Debussys Oper im Oktober unter Hardings Leitung.

Mahler sprach über seine Sechste als „Rätsel“, seine Frau Alma wollte es banal lösen: als Vorahnung späterer Schicksalsschläge. Dass der jung verheiratete, mit zwei kleinen Töchtern gesegnete Komponist, Dirigent und Operndirektor just in den glücklichen Jahren 1903/04 ein ausweglos tristes Werk schrieb, bei dem die unerbittlichen Marschrhythmen sogar noch im Scherzo stampfen, durch das apokalyptische Visionen geistern und Hammerschläge sausen, ging ihr und vielen anderen nicht in den Kopf. Hardings Ansatz erschien nun radikal positivistisch – als wollte er mit den hochkonzentrierten Philharmonikern einfach ein Stück vorführen, das in a-Moll beginnt und in a-Moll endet. Man hörte akkurate Piano- und Pianissimostellen, markante Pizzicati, gute Klangbalance auch bei schneidenden Fortissimoballungen, sauber intonierte Soli – z. B. von Bassklarinette, Horn und Fagott in den Kuhglockenabschnitten des ersten Satzes, zu denen sich die fahlen Farben der an Steg oder Griffbrett tremolierenden Streicher gesellen.

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