Staatsoper: Porträt eines biblischen Luders

Themenbild: Wiener Staatsoper
Themenbild: Wiener Staatsoper(c) Clemens Fabry
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Gun-Brit Barkmin fasziniert auch in erkältetem Zustand als raffinierte Salome - das Wiener Orchester brilliert unter Simone Young.

Richard Strauss in Wien – das heißt, einem Orchester zu lauschen, das quasi in seiner Muttersprache redet. Wo andere Instrumentalisten angesichts der schieren Fülle rhythmisch hochkomplex arrangierter Töne verzweifeln, bewegen sich die Staatsoper-Musiker wie die Fische im Wasser. Anders gesagt: Man weiß, worauf es ankommt, welche Töne vielleicht auch einmal wegfallen können, wenn nur die Bewegung stimmt – und wo man jedenfalls aufs Ganze gehen muss.

Unter Simone Young, die – wie schon in ihren Anfängen – wieder einmal für eine heikle Aufgabe eingesprungen ist, spielt sich's offenbar sicher. Die dramatische Spannung der „Salome“ bleibt bis zum letzten Moment der Aufführung gewahrt, und die vielen kleinen und kleinsten Details schimmern und funkeln, grollen und knarzen, was das Zeug hält.

Die Musik müsse schillern wie Changeant-Seide, schrieb Strauss. Das tut sie in Wien, breitet den Sängern den Klangteppich aus, auf dem sie ihre Rollengestaltungen ausleben können. Und das geschieht, wenn auch die Klangwogen über den Stimmen des Herrscherpaares hie und da gewaltig zusammenschlagen. Doch in aller Regel orientieren sich Herodes und Herodias, der prägnante Wolfgang Ablinger-Sperrhacke und die imposante Iris Vermillion, vor allem an Oscar Wildes Text; das war's, was Strauss wollte: eloquenteste Rezitation im entsprechend bildhaften musikalischen Rahmen.

Vor allem in den visionären Passagen beeindruckte Željko Lučič bei seinem Hausdebüt als Jochanaan. Gun-Brit Barkmin umgarnte ihn nach allen Regeln der Schauspielkunst – ihre Salome-Darstellung ist wunderbar ausgefeilt und vermittelt beängstigend virtuos zwischen kindlicher Unschuldsmiene und zynischer Verderbtheit.

Stimmlich hatte man diesmal momentweise zu bangen, die Künstlerin wurde als erkältet angesagt, mancher Spitzenton tönte weniger flexibel und frei als gewohnt – doch die Kraft versiegte nicht bis zum Schlussgesang; und der Schleiertanz schien als Kabinettstück pantomimisch raffiniert die Finalkatastrophe heraufzubeschwören. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2017)

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