Kompografie für Roboter

Simon Mayer arbeitet für „Oh Magic“ mit einem Roboter: „Ein Kindheitstraum!“
Simon Mayer arbeitet für „Oh Magic“ mit einem Roboter: „Ein Kindheitstraum!“(c) Niko Havranek
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Zur Brut-Saisoneröffnung kreuzt Simon Mayer mit „Oh Magic“ die Genres. Ein Gespräch über Ballett, Technologieangst und das Loslassen.

Simon Mayer lässt sich nicht einordnen. Er ist Tänzer, Choreograf, Musiker, Komponist – und er nennt seine neueste Kreation, „Oh Magic“, die am Donnerstag die Herbstsaison des Brut eröffnet, eine „Kompografie“: „Dieser Begriff ist mir viel näher als Choreografie oder Komposition. Wenn ich choreografiere, halte ich mich an den Sound, den die Bewegung macht. Und wenn ich komponiere, denke ich immer daran, was das für eine Energie hat, welche Bewegung daraus kommt“, sagt Mayer der „Presse“. Für ihn gibt's keine Genregrenzen. „Ich habe mit der Pianistin eine Choreografie gemacht – und dann geschaut, wie klingt diese Choreografie auf dem Klavier.“ Jetzt spielt sie auch mit Kopf und Füßen. Dafür habe die Musikerin Gewohntes über Bord geworfen. „Dieser Prozess geht aber noch viel tiefer“, erzählt Mayer: „Da muss man auch den Perfektionismus loslassen, den man verfolgt und der alles infiltriert.“

Mit Perfektionismus kennt er sich aus. Auch er hat ihn gelernt – an der Staatsopern-Ballettschule, die er sechs Jahre lang besuchte. „Da habe ich Durchsetzungsvermögen gelernt – und durchbeißen.“ Später führte ihn sein Weg an die von Anne Teresa de Keersmaeker geleitete Tanzakademie P.A.R.T.S. „Es hat lange gedauert, bis ich die Spannungen abbauen konnte, die ich an der Staatsoper aufgebaut hatte.“ In Brüssel standen auch Release-Techniken, Yoga und Shiatsu auf dem Lehrplan.
So wie der Tanz gehört die Musik zu Mayers Leben. Daheim in Oberösterreich wurde schon in seiner frühesten Kindheit viel musiziert. Vor allem Volksmusik. Der Vater, ein Bankbeamter und Bauer, spielte auch in einer Band, Deep Purple, die Rolling Stones, und hat dem Sohn das Jodeln beigebracht. „Ich habe schon mit fünf, sechs Jahren eine Band gehabt, wo wir die Songs gespielt haben, die wir bei ihm gehört haben“, erzählt Mayer. Dazu kamen einige Jahre Musikschule für Klavier und Geige, „den Rest der Instrumente habe ich mir selber beigebracht“.

„Neugier wie ein Kind“

Für „Oh Magic“ geht Mayer wieder einen Schritt weiter auf neues Terrain: Er „kompografierte“ für Menschen und einen extra dafür konstruierten Roboter. „Ich habe beobachtet, was da gerade in unserer Gesellschaft mit Technologie passiert, und gemerkt, wie viel Angst geschürt wird. Aber wir sollten nicht mit Angst in die Zukunft sehen, sondern mit Liebe – vielleicht haben Roboter ja auch etwas Heilsames.“ Im Stück geht es um die Magie des Theaters, um Effekte, aber auch eine subtilere Ebene, die dazu führt, dass der Zuschauer auf den Roboter „eine kindliche Neugier entwickelt“. Ein Zusammenspiel von Mensch und Maschine, von Bewegung, Licht und experimenteller Musik. „Dieses Konzert hat auch rituellen Charakter“, sagt Mayer – und es stelle die Zuschauer vor die Frage, ob dieses Ding, das plötzlich so aussieht, als hätte man ihm Leben eingehaucht, nicht vielleicht „eine Art Seele, einen Spirit“ hat. Magisch eben.

„Oh Magic“: 19.–21. 10., 24., 25. 10. (19.30 Uhr), Halle G/MQW (Ausweichquartier des Brut während der Künstlerhaus-Sanierung).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2017)

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