Wagners "Ring": Gemütliche "Götterdämmerung"

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Osterfestspiele. Im Festspielhaus Salzburg rundete sich Wagners „Ring“ das zweite Mal. Klangwogen von Sir Simon Rattle und den Berlinern, keine Tiefe auf der Bühne.

Götterdämmerung in Salzburg: Auch wenn Stéphane Braunschweigs Regie profilierter ist als bei den Vorgängerstücken, bleibt der zweite Osterfestspiel-„Ring“ in der Geschichte, vom Festival in Aix importiert, insgesamt doch jeden tieferschürfenden Denkansatz schuldig. Immerhin wird diesmal zumindest in den Gibichungen-Szenen die Spannung zwischen den Figuren deutlich, wenn auch etwa in der Bedeutungstiefe eines Kammerspiels. Von der Fallhöhe der mythologischen Metaphorik ist bei der von den Protagonisten getreulich ausgeführten Komödie nichts zu spüren: Siegfried und Brünnhilde räkeln sich im Doppelbett wie die Hauptdarsteller einer Soap Opera. Und von der Backfischattitüde der Königstochter angesichts des Drachentöters zum lässigen Schritt, mit dem das Wotan-Double zuletzt seinen Platz auf der Riesentreppe einnimmt, um – nein, nicht den Feuer-, sondern den Tod durch Ertrinken in projizierten Rheinwellen zu sterben –, sind es nur ein paar gemütliche Schritte.

Vergleichbare Lässigkeit gibt dem Hagen diesmal wirklich ungewohntes Profil: Mikhail Petrenko nimmt dem schwarzen Rächer auch vokal jedes Finsterlingsprofil, zieht geradezu verschlagen-ruhig, ganz auf Wort und Wortbedeutung konzentriert, die Fäden. Angesichts des Untergangs pafft er seelenruhig Zigarre.

Nur im Mannenruf des zweiten Aufzugs decken ihn die Berliner Philharmoniker rettungslos zu. Doch ist man froh, einmal keinen Brüllaffen in dieser Rolle zu erleben, sondern einen gefährlichen Meucheltäter: Nicht nur gemordet wird aus der sicheren Position hinter dem Rücken des Opfers.

Schwimmen in Orchesterfluten

Den Orchesterwogen trachten die meisten anderen Sänger dadurch zu entgehen, dass sie sich bei Fortissimo-Passagen möglichst weit vorn an der Rampe positionieren. Gerd Grochowski als Gunther und Emma Vetter als Gutrune sind dennoch eher optisch als akustisch präsent, wobei Grochowski durchaus auch gestalterisches Baritonprofil hörbar werden lässt, wo Wagner kammermusikalisch arbeitet.

Das ist in der „Götterdämmerung“ bemerkenswert oft, gottlob, denn dort, wo solistische Leistungen feine Charakterisierungsarbeit leisten, brillieren die Musiker der Berliner: Die Holzbläser vor allem, während die Streicher in den Jahren, seitdem hier Festspielgründer Karajan zuletzt Wagner dirigierte, doch merklich an Flexibilität und Differenzierungskunst verloren haben. In den großen Steigerungen agieren die Berliner nach wie vor mit beeindruckender Kraft. Allein, es fließen die Klangwogen allzu frei an den Ereignissen auf der Bühne vorbei. Der gut studierte Rundfunkchor Berlin schwimmt im zweiten Akt sozusagen mit: Simon Rattle gibt rasante Tempi vor und kümmert sich wenig um die Frage, wie man Wagners Text auch sinnvoll artikulieren könnte.

Das macht die Sache für Brünnhilde und Siegfried nicht leichter. Katarina Dalayman gelingt es ohnehin nur hie und da, auch hoch liegende Passagen unangestrengt klingen zu lassen. Dann bietet ihr Sopran durchaus Weichheit und Espressivo. Vieles aber klingt forciert, was zuletzt sogar eine Missfallenskundgebung provoziert hat. Ungeschoren kam dagegen Stefan Vinke davon, der kurzfristig eingesprungen war und in den lyrischen Passagen hören ließ, wozu sein Tenor fähig ist: Die Siegfried-Erzählung im letzten Akt fließt ihm locker und eloquent über die Lippen. Wo Kraft gefragt ist, bleibt mancher Wunsch offen.

Anne Sofie von Otter, klug disponierend, lässt sich auf keine Experimente ein. Wo sie hörbar ist, rezitiert sie die Waltraute exzeptionell klar und prägnant. Im Übrigen lässt sie Sir Simon den Vortritt, den auch das Publikum zuletzt feiert, als hätte er eine aufregende neue Wagner-Deutung vorgelegt.

Apropos vorlegen: Es gibt bereits ein Programm für 2011, Rattle dirigiert Richard Strauss' „Salome“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2010)

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