Schlagzeugmeister Grubinger mit „Sacre du printemps“

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Strawinskys revolutionäre Ballettmusik mit melodiösem Schlagzeug. Wie wenige aus der ernsthaften Musikerzunft kann er das Publikum in Manier eines gestandenen Alleinunterhalters bei der Stange halten.

Martin Grubinger ist ein Phänomen. Der bei jedem Auftritt ebenso begeistert wie begeisternd wirkende Schlagzeug-Jungstar vermittelt nicht nur stets überschäumende Musizierlust, die sich aus der kindlichen Freude zu speisen scheint, dass alles irgendwie toll klingt, wenn man darauf klopft, sondern verfügt noch dazu über rattenfängerische Fähigkeiten: Wie wenige aus der ernsthaften Musikerzunft kann er das Publikum in Manier eines gestandenen Alleinunterhalters bei der Stange halten mit kleinen Einführungen zu den Werken, spontan, natürlich und weit entfernt von aller peniblen Einstudierung, die seinen musikalischen Interpretationen vorausgeht.

Die mittlerweile zahlreichen Grubinger-Fans aller Altersgruppen denken auch gar nicht daran, es dem Star zu verübeln, dass er die Gelegenheit nützt, ohne jede Partiturvorschrift mehrfach die Werbetrommel in eigener Sache zu rühren – ganz im Gegenteil, ist es doch Grund zur Freude, wenn er verrät, dass in der nächsten Saison im Konzerthaus ein Schlagzeugzyklus zu erleben ist und, zumal Gertraud und Friedrich Cerha im Publikum sitzen, bald seine Aufnahme von Cerhas Schlagzeugkonzert mit den Wiener Philharmonikern erscheint. Störender mag man da schon den Hang zu vor allem zirkusreifen Zugaben finden, dem der Sonnyboy Grubinger regelmäßig frönt – wobei diesmal anlässlich eines Ragtimes mit chaplinesken Einlagen auch klar wurde, dass er das Showtalent von seinem Vater geerbt hat...

Jenseits von Crossover

Doch eigentlich war es ein hochseriöses, allem Crossover abholdes Konzert, das Grubinger jun., sein Percussion-Kollege Leonhard Schmidinger sowie das Klavierduo Ferhan und Ferzan Önder im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses boten, vom betont leichtgewichtigen, harmlos-hübschen Auftakt einmal abgesehen: freilich ein entzückendes Geschenk des türkischen Pianisten Fazıl Say an seine Freunde Martin Grubinger und dessen Frau Ferzan Önder zur Geburt ihres Sohnes Noah 2010, mal betont rhythmisch, mal dem Anlass entsprechend wiegenliedartig zart.

Viel packender geriet Bartóks Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug, bei denen alle vier Interpreten die nötige Kraft, Präzision und Sensibilität beweisen konnten, wobei auch noch die durchaus unterschiedlichen Klaviercharaktere der Önder-Zwillinge zum Tragen kamen – eine modellhafte Deutung, der nach der Pause Strawinskys „Sacre du printemps“ folgte. Die von Martin Grubinger sen. erstellte Bearbeitung für zwei Klaviere und drei Schlagzeuge (als deren dritter, immer wieder in größter Eile ambulant agierender Mann er sich selbst verdingte), macht auch die vielfältige Perkussion in fantasievoller Weise zum Melodieträger. Wie jede Reduktion stößt auch diese an ihre Grenzen: Das Vibraphon kann eben z.B. nicht den speziellen näselnden Klangcharakter des eröffnenden Fagottsolos wiedergeben, andere Stellen gelingen jedoch gut – wenn auch dort und da die dynamischen Relationen in Widerspruch zum Original geraten. Die rhythmische Prägnanz in teils faszinierend forschen Tempi, die das Beinah-Familienunternehmen wie selbstverständlich erzielte, triumphierte jedoch über alle Einwände.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

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