"Così fan tutte": Frechheit ist nicht gleich Freiheit

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„Così fan tutte“ wieder unter Riccardo Muti, neu besetzt. Nichts bleibt dabei dem Zufall überlassen, bei jenem Werk, das Muti offenbar am meisten ins Herz geschlossen hat

„Dirigent: Riccardo Muti“ steht auf dem Programmzettel. In Italien hieße das: „Maestro concertatore e direttore d'orchestra“, und das träfe die Sache weitaus besser. Denn Muti ist im Opernhaus nicht einfach ein Kapellmeister, der vorrangig organisiert, was im Orchestergraben passiert, dazu die wichtigsten Sängereinsätze gibt und den Rest des musikalischen Bühnengeschehens seinem Kollegen im Souffleurkasten, dem „Maestro suggeritore“ überlässt. Wenn Muti Oper dirigiert, dann führt er Regie, sogar in den Rezitativen, wo er dafür sorgt, dass die feine Differenzierungskunst, die das Orchester unter seiner Leitung virtuos demonstriert, mit allen Pianissimo-Schattierungen und kecken Aperçus, Randglossen, kleinsten Nuancierungen und Nebenbemerkungen ihr gesangliches Pendant findet.

Mozarts Punkte und Beistriche

Nichts bleibt da dem Zufall überlassen, schon gar nicht bei „Così fan tutte“, jenem Werk, das Muti offenbar am meisten ins Herz geschlossen hat und bei dem er auf jeden Bei- und Bindestrich von Lorenzo da Ponte Wert legt, weil sie alle sich tatsächlich in Mozarts Musik wiederfinden und, entsprechend realisiert, eine Aufführung vom ersten bis zum letzten Moment zur äußerst lebendigen Angelegenheit machen können.

Dass bei der Neueinstudierung von Roberto de Simones stimmiger Inszenierung in den Rokoko-Veduten Mauro Carosis an der Staatsoper diesmal vor allem der erste Akt trotz allem recht zähflüssig geriet, lag wohl an der zum Teil neuen Besetzung, die mangels präziser Vorbereitungsarbeit noch gehörig Sand ins Räderwerk streut, das einst im Theater an der Wien wie geölt schnurrte.

Von früheren Aufführungsserien sind zwar die beiden Hauptdarstellerinnen geblieben. Doch auch Barbara Frittolis Fiordiligi braucht mittlerweile ein wenig Zeit, um zur Sicherheit und makellosen Stimmführung zu finden, die sie im E-Dur-Rondo des zweiten Akts nach wie vor zur Schau stellt. Angelika Kirchschlager jedoch demonstriert, vielleicht raffinierter denn je, wie man mit einer angeblich undankbaren Nummer wie Dorabellas „Eumeniden-Arie“ sicher Applaus erntet. Und sie gestaltet im Verein mit dem besten Sänger am Platz, dem virilen Guglielmo von Ildebrando d'Arcangelo, im Duett des zweiten Aktes den erfülltesten Moment des Abends: Da kommen vokaler Ausdruck und orchestrale Stimmungsmalerei glücklich zur Deckung. Vor allem aber wird Riccardo Mutis Organisationsarbeit am Pult endlich mit frei fließenden Linien belohnt, die sich natürlich und ungezwungen innerhalb des vorgegebenen Tempos entfalten können – zur höheren Ehre der musikdramatischen Wahrhaftigkeit.

„Odem der Liebe“ und die Atemnot

Die Freiheit, die hier gemeint ist, stellt so ziemlich das Gegenteil von dem dar, was sich die Despina Laura Tatulescus und der Don Alfonso von Natale de Carolis gegenüber dem Notentext herausnehmen: Die beiden schleppen oder eilen davon, kurz: sie singen schlampig, was gegen die musikalische Einstudierungsarbeit spricht – oder, horribile dictu, gegen die Musikalität der Sänger. Kommt hinzu, dass Tatulescu zwar manche Anlage zu größerer Sopranentfaltung demonstriert, aber in ihren Solonummern noch kaum gestalterische Übersicht zu walten scheint. De Carolis klang über weite Strecken überfordert.

Sympathisch bemüht um differenzierte Phrasierungskünste präsentierte sich mit Francesco Meli hingegen ein neuer Ferrando. Der junge Tenor verfügt über gutes Material, kaum aber über die nötige technische Meisterschaft, was ihm schon in „Aura amorosa“ eng klingende Höhen beschert und in der c-Moll-Arie vollends in Atemnot bringt.

Ein Versprechen gab vieles an diesem Abend jedoch ab, vielleicht schon für gediegene „Così“-Reprisen? sin

Così fan tutte unter Riccardo Muti an der Staatsoper: 8., 11. und 14.Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2008)

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