Garanča: Reinste Freude über einen fürstlichen Mezzo

(c) AP (LILLI STRAUSS)
  • Drucken

Mit einer Minitournee durch Österreich kehrt Elīna Garanča nach der Babypause als Liedsängerin auf das Konzertpodium zurück - und wurde bejubelt.

Vergangenen Dienstag im Linzer Brucknerhaus, morgen Abend im Wiener Musikverein und am Freitag, auf Einladung des „Musikverein für Steiermark“, im Grazer Stephaniensaal – seit Monaten waren alle drei Liederabende der baltischen Mezzo-Diva restlos ausverkauft, wohl vor allem wegen der Frage, wie sich die Geburt ihrer nunmehr ein halbes Jahr alten Tochter auf Garančas Stimme auswirken würde. Und, Gender-Klischees hin oder her, es lässt sich feststellen, dass diese nun durch die junge Mutterschaft an weiblicher Wärme und sinnlicher Empfindungstiefe merkbar hinzugewonnen hat!

Zunächst erklangen fünf Lieder aus Schumanns „Myrten“, dem musikalischen Brautstrauß Roberts für Clara, wohltuend wortdeutlich, ganz ohne die branchenüblich gewordenen Konsonantengewitter, Gutturalkrämpfe und Labialexplosionen im zweifelhaften Dienst unbedingter Textverständlichkeit deutscher Provenienz. Garančas fürstlicher Mezzo klingt in den tiefen Lagen substanzvoll satt timbriert in gewohnt sinnlicher Verführungskraft und wird stets gesanglich geführt, kaum je rein deklamatorisch oder gar modisch rein rezitativisch. Für den jugendlich-schwärmerischen Charakter dieser Lieder tönte es freilich manchmal zu wissend und erfahren, was sich auch im folgenden Zyklus „Frauenliebe und -leben“ zeigen sollte: Garanča gelingen, was Dynamik und Tempo betrifft, so überlegt gestaltete wie souverän-bezwingende Mikrogestaltungen, während hingegen die vokalen Farbschattierungen manchmal doch ein wenig blässlich bleiben.


Eine Spur Kühle. Es wäre zweifellos stark übertrieben, gar von Monotonie zu sprechen, und doch konnte man als Zuhörer während des Zyklus ein kaum merkliches Gefühl kühler Distanziertheit nicht loswerden – bis Garanča endlich im Schlussgesang über den „ersten Schmerz“ in erschütternder Intensität emotionale, geradezu opernhaft empfundene Farbe bekannte. Im Klaviernachspiel rundete Roger Vignoles den Zyklus durch die Betonung der Melodie des Eingangsliedes zu einer meditativen inneren Gestalt, über den ganzen Abend hinweg war er der Sängerin ein sensibel-diskreter Begleiter.

Szenenwechsel nach der Pause: In hinreißender neuer Fin-de-Siècle-Robe tauchte Garanča nun in die expressiven Jugendstil-Wogen von Alban Bergs „Sieben frühen Liedern“ ein, die sie völlig zu Recht als klavierbegleitete Pocket-Opernszenen deutete: erschienen zwar die weltschmerzliche Schilfmelancholie Lenaus emotional zu gefasst und Rilkes träumerische nächtliche Sehnsüchte phasenweise zu unterkühlt, gelang Garanča mit Storms „Nachtigall“ der ekstatische Höhepunkt des Abends – als eine hochexpressive „Fülle des Wohllautes“ hätte Thomas Mann diese grandiose, von unerhörten dynamischen Spannweiten gekennzeichnete Interpretation sicherlich bezeichnet. Dass Garanča diese glühende Intensität ohne meckernde Schärfen, zickige Spitzen oder unkontrolliert-hysterischem Vibrato gelingt, zeugt in der Tat von höchster Gesangskunst!


Klangschöner Strauss.
Sechs Lieder von Richard Strauss, keine „Schlager“, vielleicht mit Ausnahme von „Allerseelen“, das sich, Gott weiß warum, als Fremdkörper in dieses Konzert im Vorfrühling eingeschlichen hatte, bildeten den vorläufigen Abschluss des Abends. Wiederum bewundernswert nuanciert, intelligent gestaltet, klangschön dargeboten, weit ausphrasiert, doch stellte sich das Glück einer blühenden, warminnigen Strauss-Kantilene erst bei der ersten Zugabe „Morgen“ ein. Zum allerersten Mal an diesem Abend musste man unversehens zum Taschentuch greifen – genau so, und nicht anders muss das klingen, das war meisterlich! Eine Zugabe aus ihrer baltischen Heimat und schließlich eine klug gewählte Reverenz an die Familie Schumann, „Meine Lieb ist grün wie ein Fliederbusch“ (Felix Schumann/Johannes Brahms), beendeten diesen so eindrucksvollen wie auch nachdenklich stimmenden Liederabend, dem das Grazer Publikum tosenden Applaus spendete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.